Heilung von Mängeln im elektronischen Rechtsverkehr

Das Arbeitsgericht Lübeck hat mit Urteil vom 09.06.2020 zum Aktenzeichen 3 Ca 2203/19 entschieden, dass Mängel bei der Übersendung eines Schriftsatzes per elektronischem Rechtsverkehr geheilt werden können, wenn die einreichende Partei unverzüglich nach Hinweis des Gerichts die Klage ordnungsgemäß per elektronischem Rechtsverkehr einreicht.

Aus der Pressemitteilung des LArbG Kiel Nr. 8/2020 vom 17.07.2020 ergibt sich:

Dies gelte auch dann, wenn der Hinweis des Gerichts nicht unverzüglich erfolgt, so das Arbeitsgericht.

Der Klägervertreter hatte die Kündigungsschutzklage rechtzeitig über sein besonderes Anwaltspostfach (beA) eingereicht. Sein Schriftsatz enthielt jedoch nicht eingebettete Schriften. Dies fiel zunächst weder dem Gericht noch der Gegenseite auf. Dies änderte sich erst kurz vor dem Kammertermin acht Monate später. Auf den Hinweis des Gerichts hin reichte der Klägervertreter den Klageschriftsatz noch am gleichen Tag erneut per beA ein, diesmal formell ordnungsgemäß. Gleichzeitig versicherte er in einer getrennten Datei die inhaltliche Übereinstimmung der beiden Klageschriftsätze rechtsanwaltlich und eidesstattlich.

Das ArbG Lübeck hat entschieden, dass der später eingereichte Schriftsatz als zum Zeitpunkt der ursprünglichen Klageeinreichung und damit als innerhalb der Dreiwochenfrist eingegangen gilt.

Wird ein Schriftsatz im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs beim Arbeitsgericht per PDF-Datei eingereicht, müssen nach Auffassung des Arbeitsgerichts sämtliche dort enthaltene Schriften in der Datei eingebettet sein. Ansonsten sei der Schriftsatz für die Bearbeitung durch das Gericht ungeeignet. Dies ergebe sich aus § 46c Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 ERVV i.V.m. Ziff. 1 ERVB 2019. Für die technischen Anforderungen an die ordnungsgemäße elektronische Einreichung gelte ein objektiver durch die ERVB bestimmter Maßstab. Die Frage der Eignung des elektronischen Dokuments für die Bearbeitung durch das Gericht gemäß § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG hänge nicht von der subjektiven Geeignetheit für die Gerichtsbarkeit oder für die entscheidende Kammer ab. Die ERVB 2019 sei mit der ERVB 2018 vereinbar, da sie die dort geregelte Verbindlichkeit zulässiger Dateiformate bis zum 31.12.2020 nicht unterlaufe. Die ERVB 2019 verstoße nicht gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, da die Einschränkung des Zugangs zu den Gerichten durch das Standardisierungsinteresse gerechtfertigt sei und in § 46c Abs. 6 Satz 2 ArbGG eine niedrigschwellige Möglichkeit für die Parteien existiere, den Formatfehler folgenlos zu korrigieren.

Danach gelte die Klage als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, wenn der Kläger die Klage unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreiche und zudem glaubhaft gemacht habe, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimme. Die Unverzüglichkeit beziehe sich hier allein auf die einreichende Partei. Es komme nicht darauf an, ob das Gericht seinerseits unverzüglich seiner Mitteilungspflicht gemäß § 46c Abs. 6 Satz 1 ArbGG nachgekommen sei. Dabei erfülle die taggleiche Korrektur seitens der einreichenden Partei in jedem Fall die Voraussetzung der Unverzüglichkeit. Für die Glaubhaftmachung sei ein separates ordnungsgemäß eingereichtes Dokument (PDF-Datei, durchsuchbar, mit eingebetteten Schriften) sowie eine anwaltliche Versicherung in Bezug auf die Identität ausreichend.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.