Das Landgericht Hanau hat mit Hinweisbeschluss vom 13.06.2023 zum Aktenzeichen 2 S 62/22 entschieden, dass ein Fahrzeugführer sich nicht darauf verlassen darf, dass ein verkehrswidrig auf seiner Fahrbahn zum Zwecke des Wendens querstehendes Fahrzeug rechtzeitig weiterfährt, sondern muss eine Kollision ggf. durch vollständiges Anhalten seines Fahrzeugs verhindern.
Aus der Pressemitteilung des LG Hanau vom 04.09.2023 ergibt sich:
Das Landgericht Hanau hat entschieden, dass den Fahrer eines Fahrzeuges, der in ein anderes Fahrzeug, welches auf seiner Fahrbahn vor ihm verkehrswidrig wendet, hineinfährt, obwohl er die Kollision durch vollständiges Abbremsen hätte verhindern können, ein 50%iges Mitverschulden an dem Unfall trifft ().
Der Beklagte beabsichtigte, mit seinem Fahrzeug verkehrswidrig auf der Straße zu wenden. Zu diesem Zweck schlug er zum Wenden ein, musste jedoch auf seiner Fahrspur halten, da sich auf der Gegenfahrbahn noch Gegenverkehr befand. Der Kläger näherte sich dem Beklagtenfahrzeug auf derselben Fahrbahn. Nachdem er das vor ihm quer stehende Fahrzeug bemerkte, hupte er und verlangsamte seine Geschwindigkeit, fuhr jedoch sodann in das Beklagtenfahrzeug hinein.
Nachdem der Beklagte dem Kläger die Hälfte des ihm entstandenen Schadens ersetzt hatte, machte der Kläger nunmehr auch die übrigen Schadenskosten geltend, da er der Ansicht ist, dass der Verkehrsunfall ausschließlich von dem Beklagten aufgrund seines verkehrswidrigen Wendemanövers verursacht worden sei.
Das Landgericht Hanau folgt dieser Ansicht jedoch nicht, sondern hält den Kläger zu gleichen Teilen für den Verkehrsunfall für mitverantwortlich. Zwar sei dem Beklagten zunächst vorzuhalten, dass er verkehrswidrig auf der Straße gewendet und zudem quer auf der Fahrbahn zum Stehen gekommen sei. Demgegenüber sei dem Kläger ein im Ergebnis gleich hohes Fehlverhalten vorzuwerfen. Denn dieser hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass der Beklagte sein Fahrzeug von der Fahrbahn entfernt, bevor er die Stelle passiert. Obwohl er tatsächlich rechtzeitig abbremsen konnte, habe er lediglich seine Geschwindigkeit verringert und sei somit ohne zwingenden Grund in das Beklagtenfahrzeug hineingefahren. Das stelle einen Verstoß gegen das allgemeine verkehrsrechtliche Rücksichtnahmegebot dar.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.