Das Verwaltungsgericht Köln hat mit Beschluss vom 23.07.2019 zum Aktenzeichen 23 L 1002/19 in dem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. vertretenen Rechtsstreit entschieden, dass im Baunachbarschaftsrecht sich die Nachbarn gegen die Bauweise des Nachbarn mit einem Baustoff erfolgreich zur Wehr setzen können.
Im konkreten Fall bestand ein Grundstück in einem gebiet mit Bebauungsplan, der geschlossene Bauweise vorschreibt. Damit ein Neubau nicht in geschlossener Bauweise erreichtet werden musste, hat man sich eines einfachen Tricks versucht und das Grundstück geteilt in ein großes Grundstück und einen schmalen ca. 1-Meter breiten Grundstücksstreifen. Auf dem großen Grundstück sollte „in geschlossener Bauweise“ zum 1-Meter breiten Streifen gebaut werden, aber eben nicht geschlossen zum Nachbargrundstück.
Die von der Stadt genehmigte Bebauung entspricht dabei nicht der durch § 22 Abs. 3 BauNVO vorgesehenen Bauweise. Formal gesehen steht das Grundstück zwar an der – erst durch die Teilung neu geschaffene – Grundstücksgrenze. Eine geschlossene Bauweise, wie sie der Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde liegt, wird durch das neu geschaffene Flurstück aber nicht eingehalten, da damit nicht „Wand an Wand“ gebaut wird. Der Neubau schafft eine Bauform, die dem System der Unterscheidung zwischen offener und geschlossener Bauweise widerspricht.
Für ein solches Verständnis spricht auch die in § 22 Abs. 3 BauNVO geregelte Ausnahmeregelung. Danach können Gebäude in der geschlossenen Bauweise nur dann mit seitlichen Grenzabstand errichtet werden, wenn die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Der Gesetzgeber hat damit letztlich zum Ausdruck gebracht, dass nur eine vorhandene Bebauung, nicht aber eine selbst geschaffene und zu diesem Zweck herbeigeführte Grundstückssituation das Abweichen von einer Bebauung Wand an Wand rechtfertigt. Ansonsten würde auch die städtebauliche Vorstellung des Plangebers, die dieser bei Erlass des Bebauungsplans hatte, untergraben.
Wollte man dies anders sehen, so wäre über das hier verwandte Instrument der Grundstücksteilung ein vollständiges Unterlaufen des Systems der offenen und geschlossenen Bauweise möglich. Sowohl die bauplanungsrechtliche Norm des § 19 BauGB als auch die bauordnungsrechtliche Norm des § 7 BauO NRW sehen für die Teilung eines Grundstücks vor, dass dadurch keine Verhältnisse entstehen dürfen, die den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprechen oder dass keine Verhältnisse geschaffen werden, die den Vorschriften der Bauordnung zuwiderlaufen.
Die Teilung des Grundstücks darf danach in keinem Fall dazu führen, dass baurechtswidrige Zustände ermöglicht werden.
Durch die Schaffung des neuen Grundstücks entsteht eine baurechtswidrige Situation, die auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist. Etwaige finanzielle Verluste, die durch eine zunächst nicht mögliche Grenzbebauung entstehen mögen, können nicht durch ein Unterlaufen des gesetzlichen Systems der Bauweisen verhindert werden.
Dadurch, dass sich die beabsichtigte Bebauung dem im Planungsrecht vorgesehen System der Bauweisen entzieht, ist eine Verletzung des nachbarschützenden Abstandsflächenrechts gegeben. Der Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BauO NRW ist nicht gegeben, wenn – wie hier – planungsrechtlich an die Grenze gebaut werden muss, die Bebauung aber – wie dargelegt – letztlich nicht in geschlossener Bebauung erfolgt. Im Ergebnis könnte sonst der Nachbar als Betroffener seinen Schutz weder durch die geschlossene Bauweise noch durch die offene Bauweise unter Einhaltung der Abstandsflächen erlangen.
Verstößt eine Baugenehmigung gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, verletzt sie den Nachbarn ins einen Rechten, ohne dass zusätzlich eine tatsächliche Beeinträchtigung festgestellt werden müsste.
Denn die Vorschriften über die Abstandsflächen dienen nicht nur dem Schutz des Gebäudes, das errichtet werden soll, oder dem Schutz der auf demselben Grundstück vorhandenen oder zulässigen Gebäude und Gebäudeteile, sondern auch dem Schutz der auf den Nachbargrundstücken vorhandenen oder zulässigen Gebäude sowie dem Schutz der dort vorhandenen Freifläche vor möglichen Beeinträchtigungen.