Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat am 18.08.2021 zum Aktenzeichen 4 K 2115/19.DA die Klage von Grundstückseigentümern in der Stadt Offenbach am Main abgewiesen, die sich gegen die von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Offenbach am 28.02.2019 beschlossene Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B für das Kalenderjahr 2019 von 600 vH auf 995 vH gerichtet hatte. Im Falle der Kläger hatte dies eine Erhöhung der Grundsteuer um ca. 90 Euro jährlich zur Folge.
Aus der Pressemitteilung des VG Darmstadt vom 15.09.2021 ergibt sich:
Zur Begründung ihrer Entscheidung führt die 4. Kammer im Wesentlichen aus, das den Gemeinden durch das Grundgesetz eingeräumte sogenannte Hebesatzrecht diene der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Kommunen. Bei der Ausübung dieses Rechts stünde den Gemeinden als Bestandteil ihres verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz) ein weiter kommunal-politischer Entscheidungsspielraum zu. Gerichtlich sei dieser lediglich daraufhin überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Normsetzungsermessens bzw. des Hebesatzrechts überschritten seien und ob das verfassungsrechtliche Willkürverbot beachtet worden sei. Zudem müsse das Übermaßverbot, das eine „erdrosselnde Wirkung“ einer Steuer verbiete, eingehalten werden. Diese Vorgaben seien vorliegend erfüllt.
Zunächst bestehe keine gesetzliche Höchstgrenze für die Grundsteuerhebesätze. Auch sei nicht ersichtlich, welche konkreten Einnahmemöglichkeiten die Beklagte, die im Jahr 2019 noch sogenannte „Schutzschirmkommune“ gewesen sei, vor der streitgegenständlichen Grundsteuererhöhung alternativ gehabt hätte bzw. inwieweit Gebühren und Beiträge ausgereicht hätten, um den zur Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben erforderlichen Finanzbedarf zu decken. Vielmehr habe die Stadt Offenbach am Main aufgrund der damals bestehenden erheblichen defizitären Haushaltslage die durch die Grundsteuererhöhung im Jahr 2019 erzielten Mehreinnahmen zur Erfüllung ihrer städtischen Aufgaben benötigt. Aus den vorgelegten Unterlagen habe sich für das Gericht nachvollziehbar ergeben, dass die Grundsteuererhöhung neben sonstigen Einsparungen erforderlich gewesen sei, um ihre finanzielle Leistungsfähigkeit sicherzustellen und als Schutzschirmgemeinde eine Genehmigung ihres Haushalts durch das Regierungspräsidium Darmstadt zu erreichen.
Auch ein Verstoß gegen das Übermaßverbot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes habe die Kammer nicht zu erkennen vermocht. Zwar handle es sich bei dem beschlossenen Hebesatz von 995 v. H. im interkommunalen Vergleich um einen weit überdurchschnittlichen Wert, dies führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der entsprechenden Satzung. Aufgrund der unterschiedlichen jeweils zu finanzierenden Aufgaben und Strukturen in verschiedenen Gemeinden seien diese bei der Festlegung nicht an die Hebesätze anderer Kommunen gebunden. Schließlich lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Steuerbelastung für die Betroffenen eine „erdrosselnde Wirkung“ hätte, die dazu führe, dass die Steuerpflichtigen ganz allgemein unter normalen Umständen die Steuer nicht mehr aufbringen könnten. Im Übrigen sei die jährliche Steuerbelastung der Grundstückseigentümer in das Verhältnis zu dem jeweiligen Verkehrs- bzw. Ertragswert des Grundstücks zu setzen. Schließlich könne die Beklagte in einzelnen konkreten Härtefällen im Wege eines Billigkeitserlasses die Steuerlast nach § 227 Abgabenordnung senken.
Gegen das Urteil können die unterlegenen Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel beantragen.