Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat am 22.03.2021 zum Aktenzeichen 1 K 776/20.WI mehrere Klagen gegen die Grundsteuererhöhung in der Gemeinde Niedernhausen verhandelt.
Aus der Pressemitteilung des VG Wiesbaden Nr. 6/2021 vom 23.03.2021 ergibt sich:
Die Gemeinde Niedernhausen hatte Ende 2019 beschlossen, zur Finanzierung der gemeindlichen Aufgaben die Grundsteuer ab dem Jahr 2020 auf 560 v. H. zu erhöhen. Im Februar 2020 beschloss die Gemeindevertretung sodann, die bisher gültige Straßenbeitragssatzung abzuschaffen. Mehrere Kläger, die im Jahr 2018 noch zu Straßenausbaubeiträgen für den Ausbau der Taunusstraße herangezogen worden waren, wandten sich mit ihren Klagen gegen die Erhöhung der Grundsteuer. Diese führe zu einer Ungleichbehandlung. Zunächst seien von ihnen Straßenbeiträge gefordert worden, ohne dass sich die übrigen Einwohner an den Kosten beteiligt hätten. Jetzt müssten sie höhere Grundsteuern zahlen, damit die Straßen saniert werden könnten, an denen sie gar nicht anlägen. Es müsse für die Anlieger der Taunusstraße zwingend eine Ausgleichsmaßnahme erfolgen, um diese doppelte Belastung und Ungerechtigkeit auszugleichen.
Die Kläger nutzten in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit, ihren Unmut über die politische Entscheidung der Gemeinde vorzubringen, die Straßenbeitragssatzung abzuschaffen und die Grundsteuer zu erhöhen, ohne ihre besondere Belastungssituation zu berücksichtigen. Insbesondere rügten die Kläger die fehlende Gesprächsbereitschaft seitens der Gemeinde im Vorfeld der Klageerhebung.
In der mündlichen Verhandlung wies die Kammer darauf hin, dass der Gemeinde bei der Festsetzung bzw. Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer ein weites, pflichtgemäßes Ermessen zukomme, welches durch das Gericht nur eingeschränkt überprüft werden könne. So sei zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften beachtet worden seien und ob die Steuererhebung willkürlich, d. h. evident unsachlich sei. Außerdem dürfe der Steuer keine erdrosselnde Wirkung zukommen. Hingegen überprüfe die Kammer nicht, ob die Gemeinde die „gerechteste“ politische Lösung zur Finanzierung der gemeindlichen Aufgaben getroffen habe. Insbesondere komme es auf die Erwägungen und Beweggründe der Gemeinde – also die Motivation des Satzungsgebers für die Erhöhung – bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Hebesatzes nicht an.
Die Kammer erörterte mit den Klägern weiter, dass Rechtsfehler in der Haushaltssatzung, mit der die Erhöhung der Grundsteuer beschlossen wurde, nicht erkennbar seien. Die Satzung der Beklagten enthalte entgegen der klägerischen Auffassung keine unzulässige Zweckbindung hinsichtlich der Einnahmen aus der erhöhten Grundsteuer. Soweit die Beklagte den Bescheiden Begleitschreiben beigefügt habe, wonach zukünftig die Reparatur, Instandhaltung und Sanierung von Straßen, Brücken und Gehwegen über das Steueraufkommen finanziert würden, werde hier keine rechtsverbindliche Verwendungsentscheidung getroffen, sondern lediglich die Motivation für die Erhöhung der Grundsteuer dargelegt.
Von der Verpflichtung der Gemeinde, sich vorrangig aus Beiträgen und nachrangig aus Steuern zu finanzieren, seien durch eine Änderung der Hessischen Gemeindeordnung Straßenbeiträge nach den §§ 11 und 11a KAG ausdrücklich ausgenommen worden (§ 93 Abs. 2 Satz 2 HGO).
Auch könne die Kammer eine vermeintliche Ungleichbehandlung der Kläger mit anderen Gemeindebürgern objektiv nicht feststellen. So habe die rückwirkend zum 31.12.2019 aufgehobene Straßenbeitragssatzung gleichermaßen für alle Einwohner gegolten. Demgegenüber wäre eine Privilegierung für die Kläger bei der Heranziehung zur Grundsteuer unzulässig, da der Hebesatz für die in einer Gemeinde liegenden Grundstücke einheitlich sein müsse. Dass die Kläger Straßenbeiträge leisten mussten, weil die Straße, deren Anlieger sie sind, zu einer Zeit saniert worden war, in der die Straßenbeitragssatzung der Beklagten noch in Kraft gewesen war, während andere Bürger, deren Straßen erst nach Aufhebung der Straßenbeitragssatzung saniert werden, keine derartigen Beiträge mehr zahlen müssen, liege bei einer Änderung der kommunalen Rechtslage in der Natur der Sache.
Nach dem Rechtsgespräch nahmen sodann sechs der sieben Kläger die Klage zurück.
Die noch aufrecht erhaltene Klage wies das Gericht durch Urteil ab.
Gegen das Urteil kann der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hätte.