Grundsicherung für Arbeitsuchende: Taschengeld ist als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen

26. April 2021 -

Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 07.08.2020 zum Aktenzeichen S 44 AS 3425/18 entschieden, dass monatliche Zahlungen von „Taschengeld“, die ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB II erhält, als bedarfsminderndes Einkommen anzurechnen sind.

Aus der Pressemitteilung des SG Gelsenkirchen vom 26.04.2021 ergibt sich:

Die Klägerin erhielt monatlich von ihrer Mutter einen Betrag in Höhe von 15,34 EUR zur freien Verwendung überwiesen. Das Geld gab sie für Freizeitaktivitäten aus. Die Beklagte rechnete diese Leistungen als bedarfsminderndes Einkommen an.

Die Anrechnung der monatlichen Zahlungen ist nicht grob unbillig im Sinne des § 11a Abs. 5 Nr. 1 SGB II. Der Zahlung von Taschengeld liegt weder ein spezifischer Anlass zugrunde, noch bezweckt sie einen höheren ethischen oder gesellschaftlichen Wert. Hinsichtlich der Regelung des § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, welche die Alg II-V miteinbezieht. Nach § 1 Nr. 1 der Alg II-V sind außer den in § 11a des SGB II genannten Einnahmen solche nicht zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb eines Kalendermonats 10,00 EUR nicht übersteigen. Nach der Gesetzesbegründung liegt der Sinn und Zweck des § 1 Nr. 1 Alg II-V darin, für geringfügige Einnahmen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, der im Vergleich zur Höhe der zu berücksichtigenden Einnahmen unwirtschaftlich wäre (BT-Drs. 17/3404, S. 134). Der Schutzzweck der Norm richtet sich folglich nicht an den SGB II-Leistungsempfänger, sondern an die Behörde, sodass die Klägerin sich hierauf nicht berufen kann. Ebenfalls liegt die Zahlung des Taschengeldes nicht in einem höheren Zweck begründet, aufgrund dessen eine Berücksichtigung nicht zu erfolgen hätte.

Eine Abweichung von der Entscheidung des SG Düsseldorf vom 07.06.2017 (Az.: S 12 AS 3570/15) liegt nicht vor. Es handelt sich um eine andere Konstellation. Die Entscheidung des SG Düsseldorf beruhte darauf, dass die Anrechnung in jenem Fall grob unbillig war, da der dortige Kläger das Geld nicht für Freizeitaktivitäten, sondern nachweislich dazu nutze, seine Bewerbungsaktivitäten zu finanzieren bzw. um ein Darlehen zur Förderung seiner selbstständigen Tätigkeit zu tilgen. Die Bagatellgrenze nach § 1 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 10,00 EUR stellt keinen Freibetrag dar, sodass die Einnahmen der Klägerin in voller Höhe und nicht nur in Höhe des übersteigenden Betrages zu berücksichtigen war (Lange, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 13, Rn. 24; Geiger, in: Lehr- und Praxiskommentar SGB II, 6. Aufl. 2017, § 11a, Rn. 24 mit Verweis auf Bundessozialgericht, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R).

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.