Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 20.04.2023 zum Aktenzeichen 8 O 92/21 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. vertretenen Fall entschieden, dass ein Gewerbemieter keinen Anspruch auf Mietminderung wegen Bauarbeiten in der Nähe des Geschäfts oder der Corona-Pandemie hat und zudem bis zur Rückgabe einer Mietsache Nutzungsentschädigung zu zahlen ist.
Der Kläger macht nach Beendigung eines Gewerberaummietvertrages Ansprüche auf restlichen Mietzins geltend.
Mit auf fünf Jahre befristetem Gewerberaummietvertrag vermietete der Kläger der Beklagten Räumlichkeiten zum Betrieb eines Brautmodengeschäftes.
Von Januar bis März 2020 zahlte sie je 6.000,00 EUR, im April 2020 zahlte sie keine Miete. Im Mai 2020 zahlte sie nur 4.000,00 EUR und im Juni 2020 keine Miete. Vom 22.03.2020 bis zum 19.04.2020 war das Geschäft aufgrund des ersten Corona-Lockdowns geschlossen.
Am 07.07.2020 mahnte der Kläger die Rückgabe der Mietsache nach Ablauf der vereinbarten Mietzeit an und forderte eine Nutzungsentschädigung für Juli 2020. Am 13.08.2020 sandte der Kläger der Beklagten ein Schreiben, worin er ausführte, die Beklagte habe in einem Telefonat vom 29.07.2020 erklärt, dass sie das Lokal am Samstag, den 01.08.2020 übergeben wolle, worauf er mitgeteilt habe, er sei ortsabwesend und könne die Schlüssel daher nicht entgegennehmen und die Parteien hätten daher vereinbart, dass sie ihm die Schlüssel zuschicken werde. Am Folgetag habe sich der Ehemann der Beklagten gemeldet und erklärt, dass die Übersendung nicht in Frage komme. Weiter forderte er die Beklagte auf, ihm die Schlüssel zuzusenden. Am 17.08.2020 übersandte die Beklagte dem Kläger die Schlüssel zur Gewerbefläche, die bei ihm am 25.08.2020 eingingen.
Nach Beendigung des Mietverhältnisses verrechnete der Kläger mit dem unstreitigen Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von 15.029,29 EUR Nutzungsentschädigungsansprüche für Juli und August 2020 von jeweils 6.250,00 EUR. Der Mietzinsanspruch des Klägers war in diesen Zeiträumen nicht gem. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB wegen eines Mangels der Mietsache gemindert.
Die Miete ist nicht wegen Bauarbeiten in der Nähe des Geschäftes gemindert. Der vertraglich geschuldete Zustand bestimmt sich in erster Linie nach den Beschaffenheitsvereinbarungen der Mietvertragsparteien, die auch durch schlüssiges Verhalten (konkludent) getroffen werden können. Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung können dabei auch Umstände sein, die von außen auf die Mietsache unmittelbar einwirken (sog. Umweltfehler), wie etwa Immissionen, denen die Mietsache ausgesetzt ist. Soweit allerdings Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt. Eine Beschaffenheitsvereinbarung für das Fehlen von Baustellen in der näheren Umgebung haben die Parteien nicht getroffen.
Wenn Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, bestimmt sich, was im Einzelnen zu dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand des in Rede stehenden Mietobjekts gehört, den der Vermieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB während der Mietzeit zu erhalten hat, nach den gesamten Umständen des Mietverhältnisses und den daraus in – gegebenenfalls ergänzender – Auslegung abzuleitenden Standards, insbesondere nach der Mietsache und deren beabsichtigter Nutzung sowie der Verkehrsanschauung unter Beachtung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei kann dem Vermieter nicht einseitig das Risiko einer lärmintensiven Nutzungsänderung auf einem Nachbargrundstück zugewiesen werden. Es kommt vielmehr darauf an, welche Regelung die Mietvertragsparteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen bei Vertragsschluss die von ihnen nicht bedachte Entwicklung in Gestalt der erhöhten Lärmbelastung bewusst gewesen wäre. Hiernach begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen nachträglich erhöhte Schmutz- oder Geräuschimmissionen durch Dritte jedenfalls dann grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel, wenn auch der Vermieter sie ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss (§ 906 BGB); insoweit nimmt der Mieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil. Trotz Hinweises der Kammer auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Beklagte nicht näher dargelegt, dass der Kläger als Eigentümer des Grundstücks gegenüber dem Eigentümer des Nachbargrundstücks Abwehr- bzw. Entschädigungsansprüche wegen des von der Baustelle verursachten Schmutzes und Lärms, hatte, der in einer Innenstadtlage nicht außerhalb der üblicherweise zu erwartenden Immissionen lag.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf die vereinbarte Herabsetzung der Miete berufen. Denn die Herabsetzung der Miete hing nach dem vorliegenden Vertragsentwurf von einer zweijährigen Verlängerung des Mietverhältnisses ab. Tatsächlich haben sich die Parteien sodann sogar auf eine Erhöhung der Miete geeinigt.
Auch für den Monat März 2020 war die Miete nicht gem. § 313 BGB herabzusetzen. Die Kammer hat darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für eine Anpassung der Miete wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, wie sie in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.01.2022 XII ZR 8/21 aufgestellt worden sind, von der Beklagten nicht dargelegt worden sind, ohne dass hierzu weiterer Vortrag erfolgt wäre.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung gem. § 546a Abs. 1 BGB für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 25.08.2020 in Gesamthöhe von 11.458,33 EUR, weil er von der Beklagten erst am 25.08.2020 die Schlüssel zurück erhalten hat. Die Mietsache wird vorenthalten, indem der Mieter sie entgegen § 546 Abs. 1 BGB nicht, verspätet oder nur teilweise geräumt zurückgibt und das Unterlassen der Rückgabe dem Willen des Vermieters widerspricht. Hierfür reicht aus, dass der Mieter zwar seine Sachen entfernt, aber die Schlüssel zurückbehält (BGH, BeckRS 2010, 25891). Der Anspruch ist auch nicht wegen Annahmeverzuges des Klägers ab dem 31.07.2020 ausgeschlossen. Der Kläger hatte die Beklagte mit Schreiben vom 07.07.2020 zur Rückgabe der Schlüssel aufgefordert. Zwar war der Kläger Ende Juli nicht vor Ort, er hatte aber einen Rückgabewillen und hatte die Klägerin telefonisch aufgefordert, ihm die Schlüssel zuzusenden oder in den Briefkasten einzuwerfen. Dass ihr oder ihrem Ehemann diese Option missfiel und sie daher auf einem persönlichen Termin vor Ort bestand, entband sie nicht von der Pflicht, die Schlüssel bei Vertragsende an den Kläger herauszugeben. Den Vermieter trifft zwar eine Mitwirkungspflicht an der Rückgabe der Mietsache. Hierfür reicht aber aus, dass er sein Einverständnis mit der postalischen Rücksendung erklärte. Ein persönlicher Termin war nicht erforderlich.