Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 13.12.2022 zum Aktenzeichen 7 Sa 168/22 entschieden, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes vorliegt, wenn einem männlichen Bewerber um eine Stelle abgesagt wird mit der Begründung, „unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände“.
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche nach dem AGG nach einer erfolglosen Bewerbung des Klägers.
Der am 05.10.1980 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Er arbeitete von 2000 bis 2008 nach seinem Lebenslauf (Bl. 38 f der Akte) als kaufmännischer Angestellter im Bereich Telekommunikation, danach als Call Center Agent bis 2011. Anschließend war er Vermögensverwalter von Grundstücken und Immobilen der eigenen Familie. Von 2014 bis 2017 pendelte er zwischen einer Beschäftigung im Wahlkreisbüro eines Mitgliedes des deutschen Bundetages und Arbeitslosigkeit. Ab 2017 war er bei verschiedenen Zeitarbeitsfirmen beschäftigt und arbeitete als Produktionshelfer in einem Unternehmen der technischen Keramik. Seit Januar 2021 war er wieder arbeitssuchend.
Die Beklagte produziert und vertreibt Modelle von PKW, LKW und öffentlichen Verkehrsmitteln im Maßstab 1:87 mit 100 bis 150 Einzelteilen. Die Beklagte schrieb mit undatierter Stellenausschreibung bei der Bundesagentur für Arbeit die Stelle eines Bestückers für Digitaldruckmaschinen aus:
„Für unsere filigranen Automodelle im Maßstab 1/87 H0 suchen wir Mitarbeiter (m/w/d) für unsere Digitaldruckmaschine.
Die Teile müssen in die Maschine eingelegt und entnommen werden.
Anforderungen:
– Fingerfertigkeit/Geschick
– Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
– Zuverlässiges, sorgfältiges und konzentriertes Arbeiten
– Teamorientierung, Belastbarkeit und ausgeprägte Motivation
– Fachkenntnisse sind nicht zwingend notwendig Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!“
Die in der Ausschreibung genannten Teile sind sehr klein und müssen teilweise bei der Montage der Modelle mit Hilfe von Pinzetten positioniert werden. Die Stelle war für eine Vollzeitbeschäftigung vorgesehen und sollte mit dem gesetzlichen Mindestlohn vergütet werden.
Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 19.04.2021. Mit E-Mail vom selben Tag sagte die Gesellschafterin und Prokuristin der Beklagten dem Kläger die Stelle ab:
„Sehr geehrter Herr D…, vielen Dank für Ihre Bewerbungsunterlagen.
Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen.
Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute.“
Der Kläger machte mit Schreiben vom 01.06.2021 Entschädigungsansprüche in Höhe von mindestens drei Monatsgehältern geltend.
Die Berufung meint, aus der Formulierung mit den „flinken Frauenhänden“ lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger wegen seines männlichen Geschlechtes benachteiligt worden sei. Mit der Formulierung sei es darum gegangen, die Bedeutung kleiner Hände und feingliedriger Finger für die Arbeit als Bestücker der Digitaldruckmaschinen der Beklagten zu verdeutlichen.
Geht man zugunsten der Beklagten und gegen den eindeutigen Wortlaut des Absageschreibens davon aus, dass das Absageschreiben selbst noch keine unmittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Geschlechtes zum Ausdruck bringt, so hat es doch jedenfalls den Charakter einer entsprechenden Indiztatsache nach § 22 AGG. Dies sieht auch die Beklagte ausweislich ihres Berufungsvorbringens, sodass dies neben dem Hinweis auf den klaren Wortlaut der Absage keiner weitergehenden Vertiefung bedarf.