Das Verwaltungsgericht Münster hat durch Urteil vom 08.09.2023 zum Aktenzeichen 1 K 339/23 das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung Münster, verpflichtet, den Ratsbeschluss der Stadt Münster vom 14. Juni 2022 zur Neuerrichtung einer dritten städtischen Gesamtschule mit vier Zügen in gebundener Ganztagsform am Standort des Schulzentrums in Münster-Roxel zum Schuljahr 2024/2025 zu genehmigen.
Die Stadt Münster beabsichtigt vor dem Hintergrund der in ihrem Stadtgebiet bestehenden hohen Nachfrage an Gesamtschulplätzen, eine dritte städtische Gesamtschule im Stadtteil Roxel zu errichten. Die Bezirksregierung Münster hatte die Erteilung der hierfür erforderlichen Genehmigung im Januar 2023 jedoch abgelehnt, weil sie für den Fall der Errichtung der Gesamtschule am Standort Roxel von einer Bestandsgefährdung der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck-Billerbeck in ihrer gegenwärtigen Organisationsform und damit von einem Verstoß gegen das schulrechtliche interkommunale Rücksichtnahmegebot ausgehe. Hiergegen hatte die Stadt Münster im Februar 2023 Klage erhoben. Dieser Klage gab das Verwaltungsgericht Münster nunmehr statt.
In ihrer mündlichen Begründung des Urteils führte die Präsidentin des Gerichts, Elisabeth Rapsch, im Wesentlichen aus: Der Ratsbeschluss vom 14. Juni 2022 verstoße nicht gegen das im Schulgesetz NRW normierte Rücksichtnahmegebot. Die Klägerin habe die benachbarten Schulträger in den Jahren 2019 und 2022 über ihre Planungen informiert und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dabei habe die Klägerin insbesondere auch die Beigeladenen, die Gemeinde Havixbeck und die Stadt Billerbeck, vor der Beschlussfassung hinreichend angehört. Zwar habe sich die von der Klägerin ursprünglich angestellte Prognose hinsichtlich der künftigen Schülerzahlen und der Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die konkurrierenden Schulen als unzureichend erwiesen. Die Klägerin habe ihre ursprüngliche Prognose allerdings während des gerichtlichen Verfahrens in zulässiger Weise ergänzt und damit den anfänglichen Prognosefehler behoben. Auf dieser Grundlage drohten im Falle der Errichtung einer dritten städtischen Gesamtschule in Roxel weder eine Bestandsgefährdung der Anne-Frank-Gesamtschule noch ein durchgreifender negativer Einfluss auf die Zusammensetzung der Schülerschaft der Anne-Frank-Gesamtschule und die Attraktivität der Schule noch sonstige Beeinträchtigungen. Eine Bestandsgefährdung des Billerbecker Teilstandorts der Anne-Frank-Gesamtschule würde vorliegen, wenn die Errichtung der neuen Gesamtschule zur Folge habe, dass die Anne-Frank-Gesamtschule innerhalb eines fünfjährigen Prognosezeitraums unter die Mindestzügigkeit von sechs Parallelklassen pro Jahrgang (dabei mindestens zwei oder drei Parallelklassen pro Teilstandort) zu fallen drohte. Dabei bedürfe es für die Fortführung der Anne-Frank-Gesamtschule in ihrer bisherigen Organisationsform pro Jahrgang mindestens 150 Schülerinnen und Schüler, wobei am (vierzügigen) Havixbecker Standort mindestens 100 und am (zweizügigen) Billerbecker Standort mindestens 50 Schülerinnen und Schüler erforderlich seien. Diese Mindestschülerzahlen würden nach der ergänzten Prognose der Klägerin in den Schuljahren 2024/2025 bis 2029/2030 durchgehend erreicht. Es lägen auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die Errichtung einer dritten städtischen Gesamtschule am Standort Roxel einen durchgreifenden negativen Einfluss auf die Zusammensetzung der Schülerschaft der Anne-Frank-Gesamtschule und damit auf die Attraktivität der Schule haben könnte. Nach der Prognose der Klägerin würden zwischen 2024/2025 und 2029/2030 in vier Schuljahren über 180 Anmeldungen prognostiziert, sodass die Anne-Frank-Gesamtschule in diesen Jahren jeweils eine Auswahlentscheidung unter den angemeldeten Schülerinnen und Schülern treffen könne. Dafür, dass das Leistungsniveau der angemeldeten Schülerinnen und Schüler für den ordnungsgemäßen Betrieb der Anne-Frank-Gesamtschule gleichwohl insgesamt zu niedrig sein könnte, seien keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Da auch sonstige, hier erhebliche Beeinträchtigungen nicht ersichtlich seien, sei es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin im Rahmen der Interessenabwägung von einem Überwiegen ihrer eigenen Interessen ausgegangen sei.