Das Landgericht Osnabrück hat im Verfahren um mögliche Ansprüche eines Grundstückseigentümers gegen die Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den sogenannten Gertrudenberger Höhlen entschieden, dass Ansprüche gegen die Bundesrepublik aus dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz durch Zeitablauf erloschen sind.
Aus der Pressemitteilung des LG Osnabrück Nr. 53/2020 vom 18.08.2020 ergibt sich:
In dem Verfahren nimmt ein Grundstückseigentümer die Bundesrepublik Deutschland in Anspruch. Das Grundstück des Klägers liegt in Osnabrück im Bereich des Gertrudenberges, eines Hügels am Rande der Innenstadt. Unter dem Hügel liegen künstliche, durch mittelalterlichen Bergbau entstandene Höhlen. Im Zweiten Weltkrieg dienten diese als Luftschutzbunker, der bis zu 4.000 Menschen Schutz bot. Anlässlich der Nutzung als Schutzraum wurden u.a. Toilettenanlagen und Abmauerungen in den Höhlen eingebaut. Der Kläger verlangt mit der Klage, von der Bundesrepublik Deutschland als Beklagter, alle gegenwärtigen oder künftigen Gefahren zu beseitigen, die von dem Höhlensystem für sein Grundstück ausgehen könnten. Er meint, nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz sei die Bundesrepublik verpflichtet, alle Gefahren zu beseitigen, die von ehemaligen Luftschutzanlagen des Deutschen Reichs ausgehen. Solche Gefahren bestünden hier in Form einer Instabilität der Höhlen mit der Gefahr von Deckeneinbrüchen. Die Einbauten im Zweiten Weltkrieg hätten diese Gefahr verschärft. Die Bundesrepublik lehnt es dagegen ab, die vom Kläger begehrten Verpflichtungen zu übernehmen. Sie meint, die Ausschlussfristen für Ansprüche nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien längst abgelaufen. Der Kläger habe außerdem schon vor Erwerb des Grundstücks Anfang der 2000er Jahre von den Höhlen gewusst. Konkrete Gefahren gingen von den Höhlen aktuell auch gar nicht aus, jedenfalls seien diese nicht auf Einbauten aus der Zeit der Nutzung als Bunker zurückzuführen.
Das LG Osnabrück hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts ist im Ergebnis der Argumentation der Bundesrepublik Deutschland zu folgen. Eventuelle Ansprüche gegen die Bundesrepublik aus dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien durch Zeitablauf erloschen. Hierzu sehe das Gesetz sehe eine Ausschlussfrist von einem Jahr für Ansprüche auf Ausgleich kriegsbedingter Beeinträchtigungen vor. Diese Frist beginne mit Entstehen des Anspruchs. Entstanden sei der Anspruch im vorliegenden Fall in dem Zeitpunkt, in dem die Verpflichtung geendet habe, eventuelle Beeinträchtigungen der Grundstücke auf dem Gertrudenberg durch die Nutzung der darunterliegenden Höhlen als Bunker hinzunehmen. Das wiederum sei hier bereits kurz nach Kriegsende der Fall gewesen. Denn zu einem nicht mehr genauer bestimmbaren Zeitpunkt nach Kriegsende, vermutlich bereits Ende der 1940er Jahre, jedenfalls aber deutlich vor 1966, seien alle Eingänge der Höhlen dauerhaft verschlossen worden. Dies sei vermutlich durch die britische Militärregierung erfolgt, um eine Nutzung als Schutzraum auszuschließen. Damit sei konkludent die Widmung als Bunker aufgehoben worden. In der damit ausgelösten Jahresfrist nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz seien durch die seinerzeitigen Eigentümer des heutigen Grundstücks des Klägers aber keine Ansprüche an die Bundesrepublik herangetragen worden. Diese seien dadurch unwiderruflich erloschen.
Dass die Eingänge zu den Höhlen zu einem späteren Zeitpunkt, wohl 1966, wieder geöffnet worden seien, sei unerheblich. Gleiches gelte für die Tatsache, dass die Bundesrepublik spätestens ab den 1970er Jahren die Höhlen regelmäßig kontrolliert und offenkundig als potentiellen Luftschutzraum angesehen habe, weshalb die Widmung als Bunker auch formal bis in die 1990er Jahre fortbestanden habe. All dies ändere nichts an der zwischenzeitlichen faktischen Entwidmung der Anlage als Bunker durch Verschließen der Eingänge. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben verpflichte die Bundesrepublik nicht, für eventuelle Gefahren durch frühere Einbauten des deutschen Reichs einzustehen. Neue die Stabilität beeinflussende Einbauten habe die Bundesrepublik ohnehin nicht vorgenommen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Kläger kann es binnen eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Entscheidungsgründe mit der Berufung zum OLG Oldenburg angreifen.
Vor dem LG Osnabrück sind noch zwei weitere, ähnlich gelagerte Verfahren im Zusammenhang mit den Gertrudenberger Höhlen anhängig. In diesen steht aktuell noch kein Verhandlungstermin an. Diese werden unabhängig von dem nun ergangenen Urteil entschieden.