Das Landgericht Frankfurt am Main hat am 30.06.2022 zum Aktenzeichen 2-24 O 109/19 entschieden, dass Angehörige der Insassen des am 24.03.2015 abgestürzten Germanwings-Flugzeugs jedenfalls von der Lufthansa kein Schmerzensgeld verlangen können.
Aus der Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main vom 30.06.2022 ergibt sich:
Am Vormittag des 24.03.2015 verursachte der Co-Pilot einer Germanwings-Maschine auf einem Flug von Barcelona nach Düsseldorf bewusst einen Absturz, indem er nach Erreichen der Reiseflughöhe das Cockpit von innen verriegelte, den Sinkflug einleitete und zugleich die Geschwindigkeit erhöhte. Das Flugzeug zerschellte in den französischen Alpen. Alle 150 Insassen starben.
Später wurde bekannt, dass der Co-Pilot an einer psychischen Erkrankung gelitten hatte. Das Luftfahrtbundesamt hatte ihm seine Fluglizenz auf Grundlage medizinischer Tauglichkeitszeugnisse erteilt. Die flugmedizinischen Sachverständigen waren für ein flugmedizinisches Zentrum tätig, das von der Lufthansa betrieben wird.
Im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main haben Hinterbliebene gegen die Lufthansa als Konzernmutter von Germanwings auf Schmerzensgeld geklagt: Die Kläger haben jeweils 40.000 € für die von ihnen selbst erlittenen Beeinträchtigungen begehrt, teilweise unter Abzug bereits gezahlter 10.000 €. Darüber hinaus haben sie als Erben pro Todesfall 25.000 € verlangt für die in den Minuten vor dem Absturz erlittene Todesangst ihrer verunglückten Angehörigen. Nach Auffassung der Kläger hätte dem Co-Piloten keine Flugtauglichkeit attestiert werden dürfen. Das medizinische Überwachungssystem habe, so die Kläger, unter schweren organisatorischen Mängeln gelitten. Die Lufthansa sei Teil dieses Systems gewesen.
Die Reiserechtskammer des Landgerichts Frankfurt am Main hat die Klagen heute abgewiesen. „Die flugmedizinischen Sachverständigen handelten bei ihren Tauglichkeitsuntersuchungen in Ausübung eines öffentlichen Amtes, denn ihre Tätigkeit war durch öffentlich-rechtliche Vorschriften bestimmt und Bedingung für die Lizenzierung. Deswegen kann nur der Staat oder die Körperschaft haften, in dessen Dienst die Ärzte standen. Das ist jedenfalls nicht die Lufthansa“, erklärte der Vorsitzende in der Urteilsverkündung. „Die fliegerärztlichen Untersuchungen sind Kernbestandteil der Flugsicherheit. Die Sicherheit des Flugverkehrs zu gewährleisten ist eine staatliche Aufgabe, die durch das Luftfahrtbundesamt wahrgenommen wird.“ Die Lufthansa habe hingegen keinen Zugang zu den flugmedizinischen Untersuchungen. Die Fliegerärzte seien unabhängig und nicht an Weisungen der Lufthansa gebunden. Es habe kein Überwachungssystem der Lufthansa bestanden. Ihr könne daher auch kein Organisationsversagen vorgehalten werden.
Da die Klagen bereits an eine falsche Beklagte gerichtet waren und die Richter keine organisatorischen Mängel der beklagten Lufthansa erkannten, mussten sie in ihrem heutigen Urteil keine Entscheidung darüber treffen, wie hoch ein Schmerzensgeld der Hinterbliebenen bzw. ihrer verunglückten Angehörigen zu bemessen wäre.
Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main ist nicht rechtskräftig. Sie kann mit der Berufung zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.