Generalanwalt Gerard Hogan hat seine Schlussanträge zum Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen im Zusammenhang mit dem Projekt „Stuttgart 21“ vorgelegt und hatte dabei insbesondere den Begriff der „internen Mitteilungen“ im Sinne der Richtlinie 2003/4/EG zu klären.
Aus der Pressemitteilung des EuGH vom 16.07.2020 ergibt sich:
D.R. hat beim Staatsministerium Baden-Württemberg einen Antrag auf Informationen über die Umwelt gestellt, mit dem er Zugang zu bestimmten Unterlagen des Staatsministeriums begehrt, die mit Baumfällungen für das Verkehrs- und Städtebauprojekt „Stuttgart 21“ im Stuttgarter Schlossgarten im Oktober 2010 im Zusammenhang stehen. Diese Dokumente betreffen zum einen Informationen der Hausspitze des Staatsministeriums über den Untersuchungsausschuss „Aufarbeitung des Polizeieinsatzes am 30.09.2010 im Stuttgarter Schlossgarten“ und zum anderen Vermerke des Staatsministeriums zu einem im Zusammenhang mit dem Projekt „Stuttgart 21“ durchgeführten Schlichtungsverfahren vom 10. und 23.11.2010.
Die hinsichtlich dieser Unterlagen nach dem erfolglosen Antrag von D.R. erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Auf die Berufung von D.R. hat der VGH Mannheim das Land Baden-Württemberg verpflichtet, D.R. die Unterlagen zugänglich zu machen. Bei den angeforderten Unterlagen handele es sich um Umweltinformationen, und es lägen keine Ablehnungsgründe für den Informationszugang vor. Die Unterlagen des Staatsministeriums über bei der Hausspitze vorhandene Informationen und über das Schlichtungsverfahren seien nicht als interne Mitteilungen geschützt, da ein solcher Schutz in zeitlicher Hinsicht nur für die Dauer eines behördlichen Entscheidungsprozesses bestehe.
Das Land Baden-Württemberg strebt mit seiner Revision zum BVerwG eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an. Das BVerwG stuft die von D.R. angeforderten Informationen als bei einer „Behörde“ vorhandene „Umweltinformationen“ i.S.d. Richtlinie 2003/4 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen ein. Es hat jedoch Zweifel, ob die in der Richtlinie vorgesehene Ausnahme für interne Mitteilungen (Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e) auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, da dieser Begriff in der Richtlinie nicht definiert wird. Das BVerwG ersucht den EuGH erstens um Klarstellung, was unter einer „internen Mitteilung“ zu verstehen ist, insbesondere, ob die Unterlagen oder Informationen von einer bestimmten Qualität sein müssen, um als Mitteilungen im Sinne der Richtlinie 2003/4 eingestuft werden zu können, sowie darüber hinaus, ob der Begriff „Mitteilungen“ impliziert, dass die betreffenden Informationen an einen Dritten gerichtet sein müssen, oder ob er auch Faktenmaterial umfassen kann. Zweitens möchte das BVerwG wissen, ob die Qualifizierung als „intern“ bedeutet, dass Mitteilungen, die den Binnenbereich einer Behörde noch nicht verlassen haben, dazu aber bestimmt sind, nicht unter die Ausnahme subsumiert werden können. Drittens äußert das BVerwG Zweifel hinsichtlich des zeitlichen Anwendungsbereichs dieser Ausnahme.
Generalanwalt Gerard Hogan hat in seinen Schlussanträgen vom 16.07.2020 dem EuGH vorgeschlagen, dem BVerwG wie folgt zu antworten:
Art. 4 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass der Begriff „interne Mitteilungen“ sämtliche Dokumente umfasst, die – unabhängig von ihrem Inhalt – an eine andere Person gerichtet sind und die den Binnenbereich einer Behörde i.S.v. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4 zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde über den bei ihr gestellten Antrag entscheidet, noch nicht verlassen haben.
Der Anwendungsbereich der in Art. 4 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4 enthaltenen Ausnahme ist zeitlich unbegrenzt. Die Zeit, die vergangen ist, kann jedoch einen Gesichtspunkt darstellen, der für eine Pflicht zur Bekanntgabe der angeforderten internen Mitteilung spricht, und ist daher in die Interessenabwägung einzubeziehen, die Art. 4 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2003/4 vorschreiben.
Der Generalanwalt hebt u.a. hervor, dass die hier in Rede stehende Ausnahme für interne Mitteilungen (die den notwendigen Freiraum für die Behörden zur nicht öffentlichen Beratung wahren solle) von der allgemeinen Regel, dass Behörden die bei ihnen vorhandenen oder für sie bereitgehaltenen Umweltinformationen allen Antragstellern auf Antrag zugänglich machen müssen, ohne dass diese ein Interesse geltend zu machen brauchen, zu keinem Zeitpunkt absolut sei. Die in Rede stehenden Interessen müssten auf der Grundlage einer tatsächlichen spezifischen Prüfung jeder Situation, die im Rahmen eines auf der Grundlage der Richtlinie 2003/4 gestellten Antrags auf Zugang zu einer Umweltinformation den nationalen Behörden unterbreitet werde, gegeneinander abgewogen werden. Wenn die Behörde beschließe, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, dessen Übermittlung bei ihr beantragt wurde, müsse sie erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch eine von ihr geltend gemachte Ausnahme geschützt werde, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte.
Der Generalanwalt weist hinsichtlich seiner Antwort 1 insbesondere darauf hin, dass es eine administrative Notwendigkeit sei, dass eine Mitteilung zwischen verschiedenen Behörden oder öffentlichen Stellen geteilt werden könne, ohne dass sie ihre Qualität einer internen Mitteilung verliere.