Fristlose Kündigung bei Arbeitszeitbetrug

04. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 03.12.2020 ­zum Aktenzeichen 6 Sa 494/20 entschieden, dass eine vom Arbeitgeber berechtigterweise ausgesprochene Abmahnung nicht geeignet ist, die Verschleie­rung des nächsten Vertragspflichtverstoßes zu rechtfertigen.

Die fristlose Kündigung ist nicht mangels eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Tatsache, dass die vom Kläger falsch aufgeschriebene Arbeitszeit nur wenige Minuten von der real geleisteten Arbeitszeit abweicht, lässt den Vertragspflichtverstoß der Verschleierung des Fehlverhaltens nicht in einem milderen Licht erscheinen. Denn bei der Frage der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung geht es nicht um eine repressive Strafzumessung oder Sanktion für begangenes Unrecht in der Vergangenheit, sondern um die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses sowie um die Abwägung von Interessen im Zusammenhang mit der Frage, ob der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft zumutbar ist (BAG v. 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 –). Von einer solchen Zumutbarkeit ist gerade nicht auszugehen, wenn die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer wegen eines gleich gelagerten Verschleierungsversuches bereits abgemahnt hatte und nun feststellen muss, dass der auf diese Weise vorgewarnte Arbeitnehmer erneut versucht sie zu täuschen. Für den Tatbestand der Verschleierung der Pflichtverletzung ist der Wert der Pflichtverletzung wenig relevant. Selbst wenn man den Wert berücksichtigen würde, spräche er eher gegen den Kläger, wie es die Beklagte richtig erkannt hat: Wenn sich nämlich der Kläger schon bei geringfügigen Pflichtverletzungen zu deren Verschleierung hinreißen lässt, ist die Prognose gerechtfertigt, dass dies zukünftig auch bei gewichtigeren Verstößen – und dort erst recht – geschehen wird.

Das vom Kläger dargestellte Dilemma ist nicht geeignet, den Vertrauensverstoß zu rechtfertigen. Der Kläger hatte mit seiner Berufungsbegründung geltend gemacht, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei für die Beklagte nicht der Vertrauensverstoß durch die Verschleierung im Fokus gewesen, sondern gleichermaßen das Zuspätkommen; er habe sich aus Angst vor einer Sanktion für das Zuspätkommen erneut zur Verschleierung desselben veranlasst gesehen. Sinngemäß macht der Kläger also geltend, sein Arbeitsverhältnis sei auch bei bloßem Zuspätkommen – ohne Verschleierung desselben – in Gefahr gewesen, deshalb habe die Verschleierung ein probates Mittel sein können, diese Gefahr zu minimieren. Diese Sichtweise wäre nur dann kein Zirkelschluss, wenn die besagte Gefahr von außen auf das Arbeitsverhältnis einwirken oder wenn sich eine Androhung des Arbeitgebers als ungerechtfertigt erweisen würde. Beides ist hier nicht der Fall. Die Auskunft des Vorgesetzten war eine zutreffende Rechtsauskunft: Wiederholte Vertragspflichtverletzungen gefährden den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Wäre die Sichtweise des Klägers richtig, könnte jeder Hinweis und jede Abmahnung einer konkreten Pflichtverletzung die Verschleierung der Wiederholung der besagten Pflichtverletzung rechtfertigen. Der Arbeitnehmer würde so seinem Arbeitgeber sagen, der Arbeitgeber müsse zuerst eine Abmahnung aussprechen, bevor er zum letzten Mittel greife und das Arbeitsverhältnis kündige; wenn er aber tatsächlich eine Abmahnung ausgesprochen habe, dann setze er damit einen Rechtfertigungsgrund für die Verschleierung der nächsten Vertragspflichtverletzung. Diese Argumentation ist ein unzulässiger Zirkelschluss, weil sie versucht, pflichtwidriges Verhalten durch den Hinweis auf die Pflichtwidrigkeit zu rechtfertigen. Rechtstreues Verhalten (die Erfüllung der Pflicht aus § 314 Abs. 2 BGB) würde so zur Rechtfertigung des Vertragspflichtverstoßes.