Freelancer oder Arbeitnehmer – wann ist es ein Arbeitnehmer?

16. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 12.03.2020 zum Aktenzeichen 8 Sa 507/19 entschieden, dass ein Arbeitsvertrag nach § 611 a Abs. 1 BGB nicht gleichzusetzen ist mit einem sozialversicherungs­pflichtigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 SGB IV

Maßgeblich für die Einordnung einer selbstständigen Tätigkeit ist es, wenn der Selbstständige selbst entscheiden kann, ob er überhaupt und gegebenenfalls an welchen Tagen er eine Tätigkeit erbringt.

Die Bindung an einen für die Tätigkeit typischen Arbeitsort (hier: ausschließlich bei den jeweiligen Kun­den vor Ort stattfindende Veranstaltungen) besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit.

Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Abhängigkeit sind auch wirtschaftliche Gestaltungsmöglich­keiten und unternehmerische Risiken zu berücksichtigen, nicht aber bei der persönlichen Abhängigkeit.

Die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, ist ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, wobei es hierbei auf die tatsächliche Ausführung einer anderweitigen Tätigkeit nicht ankommt, sondern nur auf die Möglichkeit, dies zu tun.

Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von dem Rechtsverhältnis eines freien Dienstnehmers durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (vgl. etwa BAG 17.10.2017 – 9 AZR 792/16 – mwN)

In Anwendung dieser Grundsätze ist anzunehmen, dass der Kläger nicht als Arbeitnehmer, sondern als freier Dienstnehmer anzusehen ist. Die Bewerbung des Klägers auf eine entsprechende Anzeige der Beklagten hin als Freelancer auf Honorarbasis zielt auf die Begründung eines Rechtsverhältnisses als freier Dienstnehmer. Die spätere Durchführung des Vertrags rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Das Berufungsgericht folgt der Gesamtwürdigung des Arbeitsgerichts mit dem Ergebnis, dass die Parteien ein Auftragsverhältnis bzw. freien Dienstvertrag vereinbart und gelebt haben.

Vorab ist festzustellen, dass ein Arbeitsvertrag nach § 611 a Abs.1 BGB nicht gleichzusetzen ist mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gemäß § 7 SGB IV. Deshalb ist für die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht die Rechtsprechung der Sozialgerichte, etwa im Rahmen eines sog. Statusfeststellungsverfahrens nach § 7 a SGB IV maßgeblich, sondern allein die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte (vgl. dazu etwa BAG 13.07.2005 – 5 AZR 435/04; 25.02. 2004 – 5 AZR 62/03 – jeweils mwN).

Die Parteien haben den Kläger als „Freelancer“ bezeichnet. Der Kläger hat sich als „Freelancer im Bereich Veranstaltungstechnik“ auf eine entsprechende Anzeige der Beklagten beworben. Der Kläger war seit seiner Bewerbung hin als Freelancer in der Zeit vom 06.09.2017 bis zum 20.03.2018 insgesamt auf 14 mehrtägigen Veranstaltungen als IT-Operator und in der Veranstaltungsorganisation der Beklagten tätig. Er erhielt für seine Einsätze aufgrund mündlicher Vereinbarung eine pauschale Vergütung in Höhe von 250,00 € netto pro Tag, wenn für die jeweilige Veranstaltung mindestens zwei Mitarbeiter von der Beklagten eingesetzt wurden und in Höhe von 300,00 € netto pro Tag, wenn er den Einsatz alleine ausführte. Hinzu kam eine Reisevergütung für weiter entfernte Veranstaltungen in Höhe von jeweils 100,00 € netto. Für seine Einsätze reichte der Kläger bei der Beklagten Rechnungen ein, in denen auch Umsatzsteuer ausgewiesen war. Auf seinen Rechnungen habe der Kläger unter der Bezeichnung „e “ firmiert. In 6,5 Monaten erzielte er dabei 11.029,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer.  Die Parteien haben demnach – wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat – einen freien Dienstvertrag als Grundlage für die Tätigkeit des Klägers gewählt. Dieser hat sich auch bewusst auf eine selbstständige Tätigkeit eingelassen und einlassen wollen. Der Vorrang der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen vor der formalen Vertragstypenwahl durch die Parteien bedeutet nicht, dass die Entscheidung der Parteien für eine bestimmte Art von Vertrag irrelevant wäre. Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit – wie im Streitfall – typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragspartner für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 11.08.2015 – 9 AZR 98/14- mwN).

Der Kläger unterlag hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage seiner Tätigkeit nicht dem für Arbeitnehmer typischen Weisungsrecht.

Der Kläger wurde von der Beklagten beauftragt, auf Veranstaltungen von Kunden, die die Beklagte akquiriert hatte, als Operator die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Veranstaltungstechnik zu bedienen. Zeitpunkt und Dauer – regelmäßig 1- 2 Tage an den Wochenenden – der Veranstaltungen richteten sich nach den Wünschen der Kunden. Damit waren für den zeitlichen Umfang und die zeitlichen Lage der Veranstaltungen keine Weisungen der Beklagten, sondern die Vorgaben der Kunden maßgeblich.

Zu Recht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass entscheidend für ein freies Auftrags- oder Dienstverhältnis spricht, dass der Kläger hinsichtlich bevorstehender Veranstaltungen der Beklagten frei war zu entscheiden, angefragte Einsätze anzunehmen oder abzusagen. Dies ist für einen Arbeitnehmer unüblich. Maßgeblich für die Einordnung einer selbstständigen Tätigkeit ist es daher, wenn der Selbstständige selbst entscheiden kann, ob er überhaupt und gegebenenfalls an welchen Tagen er eine Tätigkeit erbringt (BAG 21.07.2015 – 9 AZR 484/14-mwN). Der Kläger hat auch in der Berufung nicht bestritten, dass er nicht verpflichtet war, Anfragen der Beklagten zu Veranstaltungen nachzukommen. Dass er auch gegen seinen Willen von der Beklagten herangezogen worden ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Soweit der Kläger in der Berufung weiter vorträgt, er sei faktisch gehalten gewesen, die Einsatzanfragen der Beklagten anzunehmen, da er ansonsten riskiert hätte keine weiteren Aufträge mehr zu erhalten, hat das Arbeitsgericht  zutreffend und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellt, dass dies nicht entscheidend ist, da hiermit keine persönliche, sondern eine wirtschaftliche Abhängigkeit begründet wird. Arbeitnehmer und Selbstständige unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit kann beim Selbstständigen im Einzelfall zwar eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Selbstständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lässt. Dies begründet aber keine Arbeitnehmereigenschaft. (vgl. etwa BAG 21.07.2015 – 9 AZR 484/14-mwN).

Der Kläger war auch nicht weisungsabhängig hinsichtlich des Arbeitsortes. Insoweit gilt – wie bei der Arbeitszeit – dass der Arbeitsort von den Kunden und nicht der Beklagten vorgegeben wurde. Denn die Veranstaltungen fanden ausschließlich bei den jeweiligen Kunden vor Ort statt. Diese Bindung an einen für die Tätigkeit typischen Arbeitsort besagt nichts über eine persönliche Abhängigkeit (vgl. BAG   21.11.2017     – 9 AZR 117/17 – mwN). Auch dies hat das Arbeitsgericht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellt. Wegen der weiteren Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

Der Kläger war auch nicht weisungsabhängig hinsichtlich der von ihm im Rahmen der Veranstaltungen zur erfüllenden Aufgaben. Auch dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Der Kläger hatte – wie bereits ausgeführt – als Operator den Auftrag, auf Veranstaltungen von Kunden, die die Beklagte akquiriert hatte, die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Veranstaltungstechnik zu bedienen. Inhalt und Ablauf der Veranstaltungen folgten im Übrigen – wie Ort und zeitlicher Umfang – den Wünschen der Kunden. Dass der Kläger darüber hinaus zur konkreten Durchführung seiner Aufgaben – beispielsweise dem Aufbau und Instandsetzen der Infrastruktur, der Durchführung der Kundenumfragen, dem Support der Teilnehmer vor Ort – inhaltlichen Weisungen der Beklagten unterlag, hat er auch in der Berufung nicht substantiiert vorgetragen. Die vor den Veranstaltungen durchgeführten Schulungen und Termine dienten im Wesentlichen dazu, den Kläger in die Lage zu versetzen, einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen zu ermöglichen und die Technik, wie vom Kunden gewünscht, einsetzen zu können, ohne auf weitere Unterstützung und Weisungen durch die Beklagte angewiesen zu sein. Eine weitergehende Einbindung in die Organisation der Beklagten ist auch in der Berufung nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Hinsichtlich der „Dienstkleidung“ (T-Shirt mit der Aufschrift „SwarmWorks“) verbleibt es dabei, dass der Kläger nicht verpflichtet war, dieses Kleidungsstück zu tragen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellt, dass auch der Umstand, dass das bei Veranstaltungen eingesetzte Equipment nicht vom Kläger, sondern von der Beklagten stammte, nicht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht. Denn zu seinen Aufgaben gehörte nicht die Zurverfügungstellung der Veranstaltungstechnik – dies war Sache der Beklagten  -, sondern deren Bedienung als IT-Operator während der Kundenveranstaltungen. Das in diesem Zusammenhang vom Kläger auch in der Berufung angesprochene unternehmerische Risiko ist hierbei unerheblich. Arbeitnehmer und Selbständige unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit kann beim Selbständigen im Einzelfall eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Selbständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lässt. Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Abhängigkeit sind auch wirtschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten und unternehmerische Risiken zu berücksichtigen, nicht aber bei der persönlichen Abhängigkeit (BAG 25.05.2005 – 5 AZR 347/04 –mwN).

Schließlich hat das Arbeitsgericht zu Recht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgestellt, dass für eine selbstständige Tätigkeit zudem spricht, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, anderen Tätigkeiten nachzugehen. Verständigen sich die Vertragspartner darauf, dass der Dienstnehmer während der Laufzeit des Vertrags andere berufliche und gewerbliche Aktivitäten zu entfalten berechtigt ist, ist dies ein Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit (vgl. BAG 11.08.2015 – 9 AZR 98/14- mwN). Von einer solchen Verständigung kann hier ausgegangen werden. Denn die Beklagte hat in der Berufung – vom Kläger nicht ausgeräumt – vorgetragen, in der übrigen freien Zeit habe der Kläger andere Aufträge annehmen können, wovon Beklagte  auch ausgegangen sei.

Auf die tatsächliche Ausführung einer anderweitigen Tätigkeit kommt es hierbei nicht an, sondern nur auf die Möglichkeit, dies zu tun (vgl. für die Frage des Ausnutzens der freien Arbeitszeitgestaltung: BAG v. 30.09.1998 – 5 AZR 563/97). Dem Kläger wäre es auch tatsächlich – selbst unter Hinzurechnung von Vorbereitungsterminen für die jeweiligen Veranstaltungen – möglich gewesen, neben seiner Tätigkeit für die Beklagte anderen beruflichen Aktivitäten nachzugehen, da der zeitliche Umfang dies in jedem Fall zugelassen hätte. So war der Kläger im gesamtem Tätigkeitszeitraum vom 06.09.2017 bis zum 20.03.2018 an zwei Tagen im September 2017, an vier Tagen im Oktober 2017, an zehn Tagen im November 2017, an fünf Tagen im Dezember 2017, an zwei Tagen im Januar 2018, an sechs Tagen im Februar 2018 und an neun Tagen im März 2018 für die Beklagte bei Veranstaltungen tätig. Der Kläger hat auch in der Berufung nicht vorgetragen, dass die Beklagte ihm Vorgaben gemacht hätte, die ihn an der Ausübung anderer Tätigkeiten neben den Einsätzen für die Beklagte gehindert hätten.

Schließlich spricht für ein freies Mitarbeiterverhältnis auch, dass der Kläger seine Leistung nicht – wie ein Arbeitnehmer – höchstpersönlich hat erbringen müssen. Der Kläger trägt auch in der Berufung nicht vor, dass die Beklagte ihm dies untersagt hätte. Dem steht zudem der vom Kläger nicht ausgeräumte Vortrag der Beklagten entgegen, der Kläger, der unter „e “ firmierte, hätte auch geeignete eigene Mitarbeiter zur Erfüllung der Aufträge abstellen können.

Darüber hinaus weist das Arbeitsgericht zu Recht darauf hin, dass selbst wenn der Kläger verpflichtet gewesen wäre, seine Dienstleistung nur persönlich zu erbringen, dies nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis spricht, weil auch dem Dienstvertragsrecht eine persönliche Leistungserbringung nicht fremd ist (BAG 17.10.2017 – 9 AZR 792/16 – mwN). Das ist umso häufiger der Fall, wenn es sich um die Ausführung einer Tätigkeit handelt, die eine besondere Qualifikation und Spezialisierung erfordert – so wie die Tätigkeit des Klägers als IT-Operator und Verantwortlicher für die technische Durchführung von Kundenveranstaltungen.