Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteilen vom 15.07.2021 zu den Aktenzeichen 5 U 153/15 und 5 U 156/15 entschieden, dass zwei Forstwirte aus Schmallenberg nicht mehr dazu verpflichtet sind, Beeinträchtigungen ihres Eigentums zu dulden, die von Wisenten ausgehen, die im Rothaargebirge ausgewildert worden waren.
Aus der Pressemitteilung des OLG Hamm vom 15.07.2021 ergibt sich:
Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die klagenden Forstwirte von dem zum Zweck der Auswilderung und Erhaltung von Wisenten im Rothaargebirge gegründeten Verein verlangen könnten, die Beschädigung der in ihrem Eigentum stehenden Bäume durch die Wisente durch geeignete Maßnahmen zu verhindern.
Die beiden Forstwirte müssten diese Eigentumsbeeinträchtigungen insbesondere nicht (mehr) unter dem Gesichtspunkt dulden, dass es sich bei der Freisetzung der Wisente um eine naturschutzrechtliche Maßnahme – im Sinne von § 65 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) – handele. Denn durch die Wisente würden sie in der Nutzung ihrer Grundstücke unzumutbar beeinträchtigt. Dabei könne zugunsten des beklagten Vereins unterstellt werden, dass die Schäden am Baumbestand der Forstwirte und die damit verbundene wirtschaftliche Belastung unter Berücksichtigung gezahlter Entschädigungen eine Unzumutbarkeit nicht begründen könnten, weshalb es einer Aufklärung der genauen Schadenshöhe durch ein Sachverständigengutachten nicht bedürfe.
Die Unzumutbarkeit der (weiteren) Duldung durch die Forstwirte folge nämlich jedenfalls aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablauf sowie dem Umstand, dass der mit der Freisetzungsphase, die dazu dienen habe sollen, Erfahrungen darüber zu sammeln, wie sich die ausgesetzten Wisente in Freiheit verhalten würden, verfolgte Zweck erreicht sei. Von vornherein sei diese Freisetzungsphase auf einen begrenzten Zeitraum angelegt gewesen und dürfte nicht über Gebühr ausgedehnt werden. Tatsächlich seien die Ziele dieser Phase erreicht, weshalb es ihrer Fortsetzung für die Realisierung des Projekts nicht mehr bedürfe. Auch eine dem beklagten Verein zuzubilligende Übergangsfrist für die Vorbereitung und Umsetzung der im Anschluss an die Freisetzungsphase zu treffenden Entscheidungen wäre inzwischen abgelaufen.
Soweit der beklagte Verein zuletzt mitgeteilt habe, es sei noch nicht absehbar, wann die Freisetzungsphase beendet sei, könne der Senat dieser Einschätzung nicht folgen. Sie stünde nämlich in offenem Widerspruch zu vorangegangenen Äußerungen des Vereins in den Jahren 2014 und 2016, wonach die Freisetzungsphase erfolgreich abgeschlossen gewesen sei. Außerdem sei sie mit der weiteren Vorgehensweise der Projektbeteiligten, die über eine die Freisetzungsphase offiziell ablösende “Übergangsphase“ und damit das weitere Schicksal des Projekts beraten sollen, sowie objektiven Umständen – wie die inzwischen vergangene Zeit von mehr als acht Jahren seit der Freilassung der Wisente am 11.04.2013 – nicht in Einklang zu bringen.
Gründe, warum noch ein weiterer Zeitraum zulasten der Forstwirte einzuräumen sein sollte, seien nicht ersichtlich. Allein unterschiedliche politische Vorstellungen zu dem weiteren Schicksal des Projekts könnten eine – ggf. unbegrenzte – Ausdehnung der Entscheidungsphase nicht rechtfertigen. Vielmehr hätte sich für alle Projektbeteiligten aufdrängen müssen, zeitnah nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2019 die Beratungen zu forcieren und zu einer Entscheidung für oder gegen die Fortsetzung des Projekts zu gelangen. Dass dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelungen sei, wirke sich nun zulasten des beklagten Vereins aus.
Der Senat hat in beiden Fällen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.