Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 5. Februar 2024 zum Aktenzeichen 24 L 6/24 entschieden, dass auch das zweite vom Bezirksamt Pankow von Berlin (Bezirksamt) erlassene generelle Beseitigungsverbot für Bäume und Sträucher gegenüber einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft (Antragstellerin), die den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft plant, voraussichtlich rechtswidrig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 7/2024 vom 07.02.2024 ergibt sich:
Eine im Eigentum des Landes Berlin stehende Wohnungsbaugesellschaft beabsichtigt, auf Grundstücken im Bezirk Pankow von Berlin zwischen bereits vorhandener Wohnbebauung zwei Neubauten zu errichten, die als Unterkünfte für 422 Geflüchtete genutzt werden sollen. Im Vorfeld erstellten sowohl die Antragstellerin als auch eine Anwohnerinitiative artenschutzrechtliche Gutachten, in denen die Auswirkungen des Bauvorhabens auf Brutvögel im Fokus standen. Das Bezirksamt untersagte im Oktober 2023 der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung „bis auf Weiteres“, Bäume und Sträucher ohne eine artenschutzrechtliche Ausnahme und/oder Befreiung zu beseitigen. Mit Beschluss vom 9. Januar 2024 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des hiergegen gerichteten Eilantrags der Antragstellerin wiederhergestellt (VG 24 L 305/23, vgl. PM Nr. 3/2024 vom 11. Januar 2024; über die beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandendburg eingelegte Beschwerde ist noch nicht entschieden). Bereits am darauffolgenden Tag untersagte das Bezirksamt der Antragstellerin erneut die Durchführung des Eingriffs bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf Gewährung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.
Auch der gegen das zweite Fällverbot gerichtete Eilantrag der Antragstellerin hatte Erfolg. Der angefochtene Bescheid sei nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtswidrig. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Bezirksamtes zur Abwehr von Gefahren für geschützte Tierarten, insbesondere Brutvögel und Fledermäuse, lägen hier nicht vor. Ebenso wenig sei ein Gefahrenverdacht erkennbar, der eine weitere Erforschung des Sachverhaltes rechtfertige. Zwar sei es nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verboten, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wildlebender Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Dieses sog. Schädigungsverbot werde aber vorliegend zugunsten der Antragstellerin modifiziert, weil das Bauvorhaben im ungeplanten Innenbereich liege. Ein Verstoß gegen das Schädigungsverbot liege daher nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werde. So liege der Fall hier, weil die konkrete Gefahr einer Verletzung des artenschutzrechtlichen Schädigungsverbots durch die geplante Fällung von Bäumen und Beseitigung sonstiger Gehölze weder vom Antragsgegner noch den im Eilverfahren beigeladenen Naturschutzverbänden hinreichend dargelegt oder sonst ersichtlich sei. Zwar würden Fortpflanzungs- und Ruhestätten der betroffenen Tierarten durch die Maßnahmen auf dem Vorhabengrundstück vollständig beseitigt. Die ökologische Funktion dieser geschützten Lebensstätten werde jedoch aufgrund der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen weiterhin erfüllt, welche die Antragstellerin ergriffen bzw. zugesichert habe. Diese habe mit der mehrfachen Anpassung, Ergänzung und qualitativen Aufwertung der Ausgleichsmaßnahmen auf umfangreiche Nachforderungen des Bezirksamtes reagiert.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.