Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 08. Februar 2022 zum Aktenzeichen 2 BvR 356/21 entschieden, dass die Fixierung eines Untergebrachten ohne richterliche Anordnung verfassungsrechtlich bedenklich ist.
Die Fixierung eines Patienten stellt einen Eingriff in dessen Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG) dar. Fehlende Einsichtsfähigkeit lässt den Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG nicht entfallen; er ist auch dem psychisch Kranken und nicht voll Geschäftsfähigen garantiert. Aufgrund ihrer besonderen Eingriffsintensität ist die nicht nur kurzfristige Fixierung sämtlicher Gliedmaßen auch im Rahmen eines bereits bestehenden Freiheitsentziehungsverhältnisses als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren, die den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG abermals auslöst. Von einer kurzfristigen Maßnahme ist in der Regel auszugehen, wenn sie absehbar die Dauer von ungefähr einer halben Stunde unterschreitet. Die Freiheitsentziehung erfordert grundsätzlich eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nur dann zulässig, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Maßnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste. Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG fordert in einem solchen Fall, die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ ist dahin auszulegen, dass die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, nachgeholt werden muss.
Das Amtsgericht München hat im Beschluss vom 29. Januar 2021 – soweit nach den vorliegenden Unterlagen ersichtlich – den Umfang und die Tragweite der Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ausreichend gewichtet. Bei der beschwerdegegenständlichen 5-Punkt-Fixierung über einen Zeitraum von vier Stunden handelt es sich um eine Maßnahme von nicht unerheblicher Dauer, die als eigenständige Freiheitsentziehung zu qualifizieren ist und unter den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG fällt. Das Amtsgericht München hat nicht in der gebotenen Begründungstiefe dargelegt, weshalb eine vorherige richterliche Anordnung der Fixierung nicht möglich war oder unverzüglich nachgeholt wurde. Dass die Fixierung der Beschwerdeführerin an einem Samstagmittag erfolgte, ist kein sachlicher Rechtfertigungsgrund für Verzögerungen. Es bedarf in diesem Zusammenhang eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der – in Orientierung an § 758a Abs. 4 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) – den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt.