Finanzielle Sanktionen gegen Rumänien und Irland wegen nicht fristgerechten Umsetzungsmaßnahmen

16. Juli 2020 -

Der Europäische Gerichtshof hat am 16.07.2020 zu den Aktenzeichen C-549/18 und C-550/18 Rumänien und Irland zu Millionenstrafen verurteilt, weil sie die Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung nicht fristgerecht vollständig umgesetzt haben.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 92/2020 vom 16.07.2020 ergibt sich:

Ziel der Richtlinie 2015/849 (ABl. 2015, L 141, 73) ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Europäischen Union zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Die Mitgliedstaaten mussten diese Richtlinie bis zum 26.06.2017 in ihr nationales Recht umsetzen und die Europäische Kommission von den insoweit getroffenen Maßnahmen in Kenntnis setzen.

Am 27.08.2018 erhob die Kommission beim EuGH zwei Vertragsverletzungsklagen, weil Rumänien und Irland ihres Erachtens innerhalb der ihnen in der jeweiligen mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist weder die Richtlinie 2015/849 vollständig umgesetzt noch die entsprechenden nationalen Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt hatten. Darüber hinaus beantragte die Kommission auf der Grundlage von Art. 260 Abs. 3 AEUV, Rumänien und Irland zum einen zur Zahlung eines Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes ab der Verkündung des Urteils wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Mitteilung der Maßnahmen zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verurteilen und zum anderen gegen diese Mitgliedstaaten einen Pauschalbetrag zu verhängen. In der Folge teilte die Kommission dem EuGH mit, dass sie ihre Klagen teilweise zurücknehme, nämlich insofern, als sie nicht mehr die Verhängung eines Zwangsgelds in Form eines Tagessatzes beantrage, da dieser Antrag nach der vollständigen Umsetzung der Richtlinie 2015/849 in rumänisches und irisches Recht gegenstandslos geworden sei.
Rumänien und Irland beanstandeten in diesem Zusammenhang die Anwendung der in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Sanktionsregelung. Außerdem hielten sie den Antrag der Kommission auf Verhängung eines Pauschalbetrags nicht nur für ungerechtfertigt, sondern im Hinblick auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles und das Ziel dieser Art finanzieller Sanktion auch für unverhältnismäßig. Die Kommission habe ihre Entscheidung, vorliegend die Verhängung einer solchen Sanktion zu beantragen, nicht in jedem Einzelfall substantiiert begründet.

Der EuGH hat den Klagen der Kommission stattgegeben und Rumänien und Irland verurteilt, an die Kommission einen Pauschalbetrag in Höhe von 3.000.000 Euro bzw. 2.000.000 Euro zu zahlen.

Nach Auffassung des EuGH hatten Rumänien und Irland bei Ablauf der ihnen in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 weder erlassen noch diese Maßnahmen der Kommission mitgeteilt und daher gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie verstoßen.

Art. 260 Abs. 3 AEUV finde in den vorliegenden Fällen Anwendung (der EuGH hat diese Bestimmung des AEU-Vertrags erstmals in seinem Urteil vom 08.07.2019 (C-543/17) angewandt). Die Verpflichtung zur Mitteilung von Umsetzungsmaßnahmen im Sinne dieser Bestimmung betreffe nämlich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, hinreichend klare und genaue Informationen über die Maßnahmen zur Umsetzung einer Richtlinie mitzuteilen. Dieser Verpflichtung nachzukommen, bedeutete in den vorliegenden Rechtssachen, dass die Mitgliedstaaten für jede Bestimmung der Richtlinie angeben, welche nationale Vorschrift oder nationalen Vorschriften ihre Umsetzung sicherstellen. Unter Hinweis darauf, dass die Kommission belegt hatte, dass Rumänien und Irland die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2015/849 nicht innerhalb der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist mitgeteilt hatten, hat der EuGH entschieden, dass die so festgestellte Vertragsverletzung in den Anwendungsbereich von Art. 260 Abs. 3 AEUV fällt.

Zudem müsse die Kommission ihre Entscheidung, eine finanzielle Sanktion nach Art. 260 Abs. 3 AEUV zu beantragen, nicht in jedem Einzelfall begründen. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung könnten nämlich nicht strenger sein als diejenigen, die für die Durchführung von Art. 258 AEUV gelten, da Art. 260 Abs. 3 AEUV nur ein Nebenverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren sei, dessen Durchführung im Ermessen der Kommission liege, über das der EuGH keine gerichtliche Kontrolle ausüben könne. Das Fehlen der Begründung lasse die Verfahrensgarantien des betreffenden Mitgliedstaats unberührt, da der EuGH einer Begründungspflicht unterliege, wenn er eine solche Sanktion verhänge.

Gleichwohl bleibe die Kommission verpflichtet, die Art und die Höhe der beantragten finanziellen Sanktion zu begründen und dabei die von ihr erlassenen Leitlinien zu berücksichtigen, da der EuGH im Rahmen eines nach Art. 260 Abs. 3 AEUV eingeleiteten Verfahrens nur über ein begrenztes Ermessen verfüge. Stellt der EuGH eine Vertragsverletzung fest, sei er nämlich hinsichtlich der Art und des Höchstbetrags der finanziellen Sanktion, die er verhängen könne, an die Vorschläge der Kommission gebunden.

Weiterhin hat der EuGH zur Verhängung eines Pauschalbetrags in den vorliegenden Rechtssachen ausgeführt, dass mit der Einführung des in Art. 260 Abs. 3 AEUV vorgesehenen Mechanismus nicht nur das Ziel verfolgt werde, die Mitgliedstaaten dazu anzuhalten, innerhalb kürzester Zeit eine Vertragsverletzung zu beenden, die ohne eine solche Maßnahme vermutlich fortbestanden hätte, sondern auch das Ziel, das Verfahren zur Verhängung finanzieller Sanktionen bei Verletzungen der Pflicht, eine nationale Maßnahme zur Umsetzung einer gemäß einem Gesetzgebungsverfahren erlassenen Richtlinie mitzuteilen, zu vereinfachen und zu beschleunigen. Daher könne eine Klage der Kommission, mit der wie im vorliegenden Fall die Verhängung eines Pauschalbetrags beantragt werde, nicht allein deshalb als unverhältnismäßig abgewiesen werden, weil sie eine Vertragsverletzung zum Gegenstand habe, die zwar zeitlich fortbestanden habe, zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den EuGH aber beendet war; die Verurteilung zur Zahlung eines Pauschalbetrags beruhe nämlich auf der Beurteilung der Folgen einer Nichterfüllung der Verpflichtungen des betreffenden Mitgliedstaats für die privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere wenn die Vertragsverletzung lange Zeit fortbestanden habe.

Hinsichtlich der Berechnung des Pauschalbetrags, dessen Verhängung in den vorliegenden Rechtssachen angemessen sei, sei darauf hinzuweisen, dass es dem EuGH obliege, in Ausübung seines diesbezüglichen Ermessens innerhalb des Rahmens der Vorschläge der Kommission den Pauschalbetrag, zu dessen Zahlung ein Mitgliedstaat gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV verurteilt werden könne, so festzusetzen, dass er zum einen den Umständen angepasst sei und zum anderen in angemessenem Verhältnis zu dem begangenen Verstoß stehe. Zu den insoweit relevanten Faktoren zählten u.a. Aspekte wie die Schwere der festgestellten Vertragsverletzung, der Zeitraum, in dem sie fortbestanden habe und die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Mitgliedstaats.

Was erstens die Schwere des Verstoßes betrifft, sei festzustellen, dass Rumänien und Irland die ihnen vorgeworfene Vertragsverletzung zwar im Lauf des Verfahrens beendet haben, diese jedoch bei Ablauf der in der jeweiligen mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch vorlag, so dass die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht jederzeit gewährleistet war.

Zweitens sei zur Bemessung der Dauer des Verstoßes darauf hinzuweisen, dass davon auszugehen sei, dass diese grundsätzlich zum Zeitpunkt der Sachverhaltswürdigung durch den EuGH, also zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens, erfolgt. Hinsichtlich des Beginns des Zeitraums, der bei der Festsetzung des gemäß Art. 260 Abs. 3 AEUV zu verhängenden Pauschalbetrags zu berücksichtigen sei, sei für die Bemessung der Dauer der Vertragsverletzung nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist (der für die Bestimmung eines zu verhängenden Zwangsgeldes in Form eines Tagessatzes herangezogen wird), abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt des Ablaufs der in der fraglichen Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist. Diese Bestimmung soll nämlich die Mitgliedstaaten dazu anhalten, Richtlinien innerhalb der vom Unionsgesetzgeber gesetzten Fristen umzusetzen, und die volle Wirksamkeit des Unionsrechts gewährleisten. Jede andere Lösung liefe im Übrigen darauf hinaus, die praktische Wirksamkeit der Richtlinienbestimmungen in Frage zu stellen, die den Zeitpunkt festlegen, zu dem die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung in Kraft treten müssen, und eine zusätzliche Umsetzungsfrist zu gewähren, deren Dauer überdies davon abhinge, wie schnell die Kommission das Vorverfahren einleite, ohne dass jedoch die Dauer dieser Zeitspanne bei der Bemessung der Dauer der betreffenden Vertragsverletzung berücksichtigt werden könnte. Daher sei festzustellen, dass die Vertragsverletzung von Rumänien und Irland etwas mehr als zwei Jahre angedauert habe.

Drittens hat der EuGH in Bezug auf die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats ausgeführt, dass die jüngste Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dieses Mitgliedstaats zu berücksichtigen sei, wie sie sich zum Zeitpunkt der Prüfung des Sachverhalts durch den EuGH darstelle.