Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 29.09.2021 zum Aktenzeichen VII ZB 12/21 zur Zumutbarkeit der Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) zur Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht (in der Zeit bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte ab dem 1. Januar 2022), wenn am Abend des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist eine Übermittlung per Telefax aus von der Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers nicht zu vertretenden Gründen – hier: Defekt des gerichtlichen Empfangsgerätes – scheitert.
Innerhalb der Frist zur Begründung der Berufung ist eine Berufungsbegründung beim Berufungsgericht nicht eingegangen.
Mit Schriftsatz hat der Beklagte vorsorglich beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und die Berufungsbegründung an diesem Tag an das Gericht übermittelt.
Zur Begründung hat er unter anwaltlicher Versicherung seiner Prozessbevollmächtigten ausgeführt: Er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
Seine Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsbegründungsschrift noch per Telefax versandt.
Der Schriftsatz habe aufgrund eines Defekts des Empfangsgeräts beim Gericht nicht empfangen beziehungsweise ausgedruckt werden können.
Dies sei seiner Prozessbevollmächtigten telefonisch mitgeteilt worden.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Beklagten sei die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, weil er nicht glaubhaft gemacht habe, dass seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen sei.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Beklagte zwar die Berufungsbegründungsfrist versäumt hat, ihm jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, weil er ohne Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) an der Einhaltung der Frist für die Berufungsbegründung gehindert war (§ 233 Satz 1 ZPO) und rechtzeitig um Wiedereinsetzung nachgesucht (§ 234 ZPO) sowie die Übermittlung der Berufungsbegründung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat.
Der Bundesgerichtshof hat es für erwägenswert erachtet, auch einen an-deren als den gewählten Übermittlungsweg als zumutbar im vorgenannten Sinne zu erachten, wenn dieser Weg sich aufdrängt und der hierfür erforderliche Aufwand geringfügig ist.
In diesem Rahmen kommt bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Telefax eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter anderem dann nicht in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte mit seiner Nutzung nicht hinreichend vertraut ist
Von einer Unzumutbarkeit ist vorliegend auszugehen.
Rechtsanwälte sind derzeit nur zur passiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet (§ 31a Abs. 6 BRAO).
Bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte spätestens ab dem 1. Januar 2022 (vgl. § 130d ZPO in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung) besteht für die Rechtsanwaltschaft keine allgemeine Pflicht, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen.
Dieser Übermittlungsweg stellt daher für einen Rechtsanwalt, der das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Dokumente versandt hat, keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung mittels Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert.
Es ist ihm nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf erst-mals mit den Voraussetzungen dieser für ihn neuen Zugangsart vertraut zu machen.
Vorliegend hat der Beklagte mit den Ausführungen im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass der Prozessbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht zumutbar war.