Das Oberlandesgericht Nürnberg hat sich in zwei Beschlüssen vom 26.04.2021 zu den Aktenzeichen 9 WF 342/21 und 9 WF 343/21 mit „Anregungen“ von Eltern zu befasst, welche sich gegen die Anordnungen der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sowie der räumlichen Distanz an zwei Schulen wandten und eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung sowie des Infektionsschutzgesetzes verlangten.
Aus der Pressemitteilung des OLG Nürnberg Nr. 18/2021 vom 29.04.2021 ergibt sich:
Die Antragsteller sind Schüler. Mit Schreiben vom 15.03.2021 wandten sich die sorgeberechtigten Eltern an das Amtsgericht Kelheim und regten an, ein Eilverfahren wegen der Gefährdung des Wohles ihrer Kinder und aller weiteren Schulkinder der jeweiligen Schulen zu eröffnen. Das Amtsgericht sollte die Rechtmäßigkeit der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung überprüfen und das Infektionsschutzgesetz zur Feststellung von dessen Unwirksamkeit dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Die Eltern vertraten die Auffassung, dass sowohl ihre Kinder als auch alle weiteren Schüler in ihrem körperlichen, seelischen und geistigen Wohl und in ihren Menschen- und Grundrechten durch die schulintern verordnete Pflicht zum Tragen von Masken und zum Abstandhalten verletzt seien. In diesen Anordnungen liege ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und gegen das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10.12.1984. Gestützt wurde diese Behauptung auf angebliche wissenschaftliche Erkenntnisse.
Das Amtsgericht – Familiengericht – erklärte sich jeweils für unzuständig und verwies die Verfahren an das Verwaltungsgericht Regensburg. Gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts legten die Eltern Beschwerde zum Oberlandesgericht Nürnberg ein und verwiesen darauf, dass die physische und psychische Gesundheit ihrer Kinder im Moment „stark geschädigt“ sei. Auch die nunmehr angeordneten Corona-Selbsttests seien rechtswidrig. Zur Begründung bezogen sich die Eltern unter anderem auf einen Beschluss des Amtsgerichts Weimar vom 08.04.2021, in welchem das dortige Amtsgericht der Schulleitung die Anordnung einer Maskenpflicht, des Distanzgebots und der Schnelltestpflicht untersagt und die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts angeordnet hatte.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Beschwerden der Eltern zurückgewiesen, gleichzeitig die Verweisung an das Verwaltungsgericht aufgehoben und das Verfahren eingestellt.
Zur Begründung führt das Oberlandesgericht aus, dass die Familiengerichte nicht zuständig seien. Die Eltern würden pauschal behaupten, dass ihre Kinder durch die Pflichten, eine Maske zu tragen und Abstand einzuhalten, sowie die diskriminierende Wirkung, welche bei einer Weigerung eintreten würde, nachhaltig in ihrem Wohl gefährdet würden. In Wahrheit würden die Eltern hier eine Art „Normenkontrollklage“ anstrengen, denn sie würden die Aufhebung aller Vorschriften und der drauf beruhenden behördlichen Anordnungen, welche die Maskenpflicht und das Distanzgebot für Schulkinder beinhalten, begehren. Die Überprüfung der diesem konkreten Rechtsverhältnis zugrundeliegenden Rechtsvorschriften obliege einzig den Verwaltungsgerichten.
Die Eltern könnten sich auch nicht auf § 1666 Abs. 4 BGB berufen, wonach das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen Dritte treffen könne. „Dritte“ im Sinne dieser Vorschrift seien natürliche Personen und andere private Rechtsträger, nicht aber Behörden, Regierungen und sonstige Träger staatlicher Gewalt. So könnten die Familiengerichte etwa auch keine Anordnung gegenüber Jugendämtern treffen, da es insoweit an einer Rechtsgrundlage fehle. Familiengerichtliche Entscheidungen nach § 1666 BGB seien nicht als Kontrolle behördlicher Maßnahmen, sondern als eigene und originäre Sachentscheidungen des Gerichtes ausgestaltet. Behördliches und hoheitliches Handeln zu kontrollieren sei ausschließlich Sache der Verwaltungsgerichte. Dies gelte für Schulen ebenso wie für Jugendämter.
Auch eine Verweisung an das Verwaltungsgericht sei nicht möglich, da es sich hier um ein Amtsverfahren handle, welche im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht an einen anderen Rechtsweg verwiesen werden könnten. Insoweit war das Verfahren nach Ansicht des Oberlandesgerichts Nürnberg einzustellen.
Das Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.