Experten begrüßen Rehabilitierung homosexueller Soldaten

Das Vorhaben der Bundesregierung, von dienstrechtlichen Nachteilen betroffene homosexuelle Soldaten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee der DDR zu rehabilitieren und zu entschädigen, ist bei den zu einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses am 26.04.2021 geladenen Sachverständigen auf Zustimmung gestoßen.

Aus hib – heute im bundestag Nr. 553 vom 26.04.2021 ergibt sich:

Ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/26835 – PDF, 572 KB) sieht vor, dass alle wehrdienstrechtlichen Verurteilungen von Soldaten in beiden deutschen Armeen wegen ihrer homosexuellen Orientierung, wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen oder wegen ihrer geschlechtlicher Identität per Gesetz außer Kraft gesetzt werden. Alle anderen Benachteiligungen der Soldaten sollen per Verwaltungsakt als Unrecht eingestuft werden.

Die Betroffenen sollen eine Geldentschädigung in Höhe von je 3.000 Euro für jede aufgehobene Verurteilung sowie einmalig für dienstliche Benachteiligungen erhalten. Die Regelung ist auf vor dem 3. Juli 2000 ergangene wehrdienstgerichtliche Urteile beschränkt, da dieses Datum laut Bundesregierung angesichts der Aufhebung eines seit 1984 geltenden Erlasses das formelle Ende der Diskriminierung homosexueller Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr markiert.

Trotz der grundsätzlich positiven Bewertung des Gesetzentwurfes stieß die Stichtagsregelung während der Anhörung auf breite Kritik. Für Professor Pierre Thielbörger von der Ruhr-Universität Bochum ist eine solche Ausschlussfrist „ohne jegliche Übergangsfrist“ völlig realitätsfern. Eine Verwaltungspraxis, die sich über mehrere Jahrzehnte etabliert hat, werde sich kaum von einem Tag auf den anderen ändern, gab er zu bedenken und sprach sich für eine fünfjährige Übergangsfrist aus. Sigmar Fischer von der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) sowie Anastasia Biefang von der Interessenvertretung der lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Angehörigen der Bundeswehr (QueerBw) plädierten für eine Erweiterung der Frist bis zum 31. Dezember 2009. Sarah Ponti vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) forderte eine Streichung des Stichtags.

Die mit dem Gesetz vorgenommene Pauschalisierung des erlittenen Unrechts ist aus Sicht von Philipp-Sebastian Metzger vom Fachbereich Bundeswehrverwaltung der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung vertretbar. Es handle sich schließlich nicht um einen Schadensersatz. Entsprechend sei auch die Regelung zu bewerten, dass die Antragsteller die behauptete Benachteiligung glaubhaft machen müssten, ohne sie beweisen zu müssen. Ein Verzicht auf den Ausgleich von Laufbahnnachteilen sei auch deshalb gerechtfertigt, so Metzger, weil das Erreichen eines bestimmten Dienstgrades von einer Vielzahl von Variablen abhängig sei. Es könne heute nicht mit Sicherheit gesagt werde, dass die damals erlittenen Benachteiligungen eine entsprechende Laufbahnentwicklung verhindert hätten. Als „verhältnismäßig“ bewertete Metzger auch die Höhe der Kompensationszahlung.

Deutlich zu niedrig ist hingegen aus Sicht der LSVD-Vertreterin Ponti die angedachte Summe von 3.000 Euro, wenngleich grundsätzlich die Einführung einer pauschalen Entschädigungsregelung, die eine unkomplizierte und schnelle Verfahrensbearbeitung ermöglicht, vom LSVD begrüßt werde. „Dramatisch zu gering“ sei die vorgesehene pauschale Entschädigung insbesondere in Fällen von Entlassungen, Degradierungen, verweigerten Beförderungen und verweigertem Ruhegeld. Hier brauche es Härtefallregelungen. Nicht nachvollziehbar sei zudem, dass der Regierungsentwurf den Begriff „homosexuelle Orientierung“ verwende. Aus Sicht des LSVD wäre es besser, die Begriffe „sexuelle Orientierung“ oder „sexuelle Identität“ zu verwenden, um alle betroffenen Gruppen anzusprechen, sagte Ponti.

BISS-Vertreter Fischer begrüßte das gewählte niedrigschwellige Verfahren mit Glaubhaftmachung durch eine Versicherung an Eides statt und einer damit einhergehenden pauschalierten, eher symbolischen Entschädigung. Es sei allerdings davon auszugehen, dass für etliche Betroffene aufgrund traumatischer Erfahrungen die persönliche Hemmschwelle, „ihre Rechte ausgerechnet beim ehemaligen Dienstherrn einzufordern, der ihnen Unrecht zugefügt hat, sehr hoch ist“. Daher könne die Deutsche Härtefallstiftung eine erste Anlauf- und Clearingstelle für Betroffene sein, die nicht den direkten Weg zum ehemaligen Dienstherrn gehen können und wollen, schlug er vor. Um die Möglichkeit der Entschädigung bekannt zu machen, plädierte Fischer für „auffällige Anzeigen in Leitmedien“ und andere, professionelle PR-Maßnahmen.

Professor Thielbörger begrüßte die angedachte Regelung zu sogenannten „Mischurteilen“. Im Referentenentwurf aus dem Oktober 2020 sei noch vorgesehen gewesen, Urteile dann nicht aufzuheben, wenn darin noch weitere, mit der homosexuellen Handlung oder sexuellen Orientierung oder Identität „vermeintlich“ nicht in Verbindung stehende Dienstpflichtverletzungen abgeurteilt wurden, sagte er. Dies hätte „erhebliche Härten im Einzelfall bedeuten können“. Der Regierungsentwurf sehe nun vor, Mischurteile grundsätzlich einzubeziehen. Es sei „lebensnah anzunehmen“, dass die abgeurteilten Dienstverletzungen, die mit der homosexuellen Handlung nicht unmittelbar in Verbindung stehen, nur deswegen beobachtet, dokumentiert und sanktioniert wurden, „weil die betreffende Person durch homosexuelle Handlungen oder ihre sexuelle Orientierung aufgefallen ist“, sagte er.

Für eine Nachbeförderung bei Vorenthaltung der Beförderung sprach sich Anastasia Biefang von QueerBW aus. Die Soldatinnen und Soldaten verdienten den Respekt und die Anerkennung, die ihnen damals zugestanden hätten, sagte sie. Dazu zähle insbesondere die regelmäßige Beförderung gemäß den geltenden Bestimmungen des Laufbahnrechts. Ein Fortbestehen der Folgen der damaligen Diskriminierung würde aus ihrer Sicht das positive Zeichen der begonnenen Aufarbeitung deutlich schmälern. Biefang sprach sich zudem für den Anspruch auf eine individuelle Entschädigung aus, wenn der nachweisbare Schaden höher als der zustehende Pauschalbetrag ist. Gleichzeitig sollte eine Kollektiventschädigung geprüft werden, „die einen Ausgleich für Schäden herbeiführt, die nicht von den einzelnen Entschädigungen aufgegriffen werden“.