Der Europäische Gerichtshof hat am 17.09.2020 zum Aktenzeichen C-732/18 P entschieden, dass die wegen des Ukraine-Konflikts verhängten EU-Sanktionen gegen russische Erdölgesellschaften der Rosneft-Gruppe rechtmäßig sind.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 107/2020 vom 17.09.2020 ergibt sich:
Sowohl die Ausfuhrverbote als auch die Zugangsbeschränkungen zu den Kapitalmärkten der Staatengemeinschaft trügen eindeutig dazu bei, die EU-Ziele zu erreichen und seien ordnungsgemäß begründet und geeignet, auf Russland wegen seiner Rolle in dieser Krise Druck auszuüben, so der EuGH.
Der Europäische Rat hat seit dem 31.07.2014 als Reaktion auf die Handlungen Russlands zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine u.a. gegenüber dem russischen Erdölsektor restriktive Maßnahmen erlassen. Diese schließen insbesondere Verbote der Ausfuhr von bestimmten sensiblen Gütern und Technologien für diesen Sektor und Beschränkungen des Zugangs zu den Kapitalmärkten der EU für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer des Sektors ein. Ziel der Maßnahmen ist es, die Kosten für die die Souveränität der Ukraine untergrabenden Handlungen Russlands zu erhöhen und eine friedliche Beilegung der Krise zu fördern.
Mehrere russische Gesellschaften, die zu der auf die Sektoren Erdöl und Erdgas spezialisierten Rosneft-Gruppe (im Folgenden: Rosneft) gehören, erhoben beim EuG eine Klage auf Nichtigerklärung dieser restriktiven Maßnahmen. Das EuG hatte mit Urteil vom 13.09.2018 (T-715/14 „Rosneft u.a./Rat“) diese Klage abgewiesen. Daraufhin legten diese Gesellschaften beim EuGH ein Rechtsmittel gegen das Urteil des EuG ein.
Der EuGH hat das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückgewiesen.
Das Vorbringen des Rates, wonach bestimmte Rechtsmittelgründe unzulässig seien, sei vorab zurückzuweisen, so der EuGH, weil darüber bereits im Rosneft-Urteil des EuGH vom 28.03.2017 (C-72/15) entschieden worden sei. Selbst wenn eine solche Unzulässigkeitseinrede auf ein im Vorabentscheidungsverfahren ergangenes Urteil gestützt werden könnte, stehen sich in der vorliegenden Rechtssache nicht dieselben Parteien gegenüber wie in der Rechtssache, in der das Urteil von 2017 ergangen sei. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen für eine Feststellung der Bindungswirkung dieses Urteils erfüllt seien.
In der Sache bestätigt der EuGH zunächst, dass die streitigen Ausfuhrverbote Maßnahmen mit allgemeiner Geltung seien, auch wenn die Zahl der Akteure auf dem betreffenden Sektor wegen dessen Besonderheiten möglicherweise sehr begrenzt sei. Das EuG habe daher zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Rat sich bei der Begründung dieser Maßnahmen darauf habe beschränken können, die Gesamtlage, die zu ihrem Erlass geführt habe, und die mit ihnen verfolgten allgemeinen Ziele darzulegen, und dass er nicht verpflichtet gewesen sei, diese Maßnahmen spezifisch und konkret zu begründen.
Zur Begründung der gegen die betreffenden Gesellschaften verhängten Beschränkungen des Zugangs zu den Kapitalmärkten, die individuelle Tragweite haben, sei festzustellen, dass es sich bei Rosneft, dessen Anteile mehrheitlich vom russischen Staat gehalten werden, um einen Hauptakteur des russischen Erdölsektors handele und dass die Gesellschaften nicht bestreiten, dass sie die Kriterien erfüllen, die der Rat für die Anwendung solcher gezielten Maßnahmen aufgestellt habe. In Anbetracht der genannten Gesamtlage und der Ziele, die mit sämtlichen vom Rat erlassenen restriktiven Maßnahmen verfolgt werden, sei die Beurteilung des EuG zu bestätigen, dass den fraglichen Gesellschaften bei vernünftiger Betrachtung nicht habe verborgen geblieben sein können, aus welchen Gründen diese gezielten Maßnahmen ihnen gegenüber ergriffen wurden.
Sowohl die Ausfuhrverbote als auch die Beschränkungen des Zugangs zu den Kapitalmärkten der Union tragen eindeutig dazu bei, das vom Rat verfolgte Ziel zu erreichen. Das EuG habe daher entgegen dem Vorbringen der betreffenden Gesellschaften zu Recht festgestellt, dass die Maßnahmen im Hinblick auf dieses Ziel nicht offensichtlich ungeeignet seien.
Die fraglichen restriktiven Maßnahmen stehen im Einklang mit dem Partnerschaftsabkommen Europäische Union – Russland (ABl. 1997, L 327, 1). Das EuG habe zutreffend festgestellt, dass sie auch mit dem Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen GATT vereinbar seien. Denn ebenso wie das Partnerschaftsabkommen enthalte das GATT eine Bestimmung über „sicherheitsbezogene Ausnahmen“, die es den Vertragsparteien unter Umständen wie denen, die zum Erlass der streitigen Maßnahmen geführt haben, erlaube, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich seien.