EU-Außengrenze zu Belarus: Kommission schlägt befristete rechtliche und praktische Maßnahmen vor

02. Dezember 2021 -

Eine Reihe befristeter rechtlicher und praktischer Maßnahmen sollen Lettland, Litauen und Polen Instrumente an die Hand geben, um besser auf die Notlage an der EU-Außengrenze zu Belarus reagieren zu können.

Aus EU-Aktuell vom 01.12.2021 ergibt sich:

Einen entsprechenden Vorschlag hat die EU-Kommission am 01.12.2021 vorgelegt. Die Maßnahmen werden es diesen Mitgliedstaaten ermöglichen, unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte und internationalen Verpflichtungen, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, zügige und geordnete Verfahren zur Bewältigung der Situation einzurichten. Die Maßnahmen stützen sich auf Artikel 78 Absatz 3 und werden unmittelbar nach ihrer Verabschiedung durch den Rat in Kraft treten. Das Europäische Parlament wird konsultiert.

Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas sagte dazu: „In den vergangenen Wochen ist es uns gelungen, das gemeinsame Gewicht der EU gegen die hybriden Angriffe auf die Union in Stellung zu bringen. Gemeinsam haben wir deutlich gemacht, dass jeglicher Versuch, die Union zu unterminieren, nur dazu führen wird, dass wir enger zusammenstehen. Die heutigen Maßnahmen sind Ausdruck dieser Solidarität: Dieses Instrumentarium befristeter Ausnahmemaßnahmen wird Lettland, Litauen und Polen die Mittel an die Hand geben, um auf diese außergewöhnlichen Umstände kontrolliert, rasch und rechtssicher reagieren zu können.“

Vorgeschlagene vorläufige Maßnahmen

Der Kommissionsvorschlag enthält eine Reihe von Ausnahmemaßnahmen in Reaktion auf eine Ausnahmesituation. Sie sollen für einen Zeitraum von sechs Monaten gelten, sofern sie nicht verlängert oder aufgehoben werden, und betreffen Drittstaatsangehörige, die aus Belarus irregulär in die EU gelangt sind oder an Grenzübergangsstellen vorstellig werden. Wichtigste Elemente des Vorschlags:

Notverfahren zum Migrations- und Asylmanagement an den Außengrenzen

  • Die drei Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, den Registrierungszeitraum für Asylanträge auf vier Wochen anstelle der derzeitigen 3 bis 10 Tage zu verlängern. Sie können über die Zulässigkeit und die Begründetheit aller Anträge im beschleunigten Verfahren an der Grenze entscheiden, es sei denn Antragstellern mit besonderen Gesundheitsproblemen kann keine angemessene Unterstützung gewährt werden. Dabei sollten begründete Anträge und Anträge von Familien und Kindern vorrangig behandelt werden.
  • Im Rahmen der Aufnahme gewährte materielle Leistungen und humanitäre Hilfe: Die Mitgliedstaaten könnten die im Rahmen der Aufnahme gewährten Leistungen unter uneingeschränkter Achtung der Menschenwürde auf die Grundbedürfnisse konzentrieren. Hierzu zählen Behelfsunterkünfte, Nahrungsmittel, Wasser, Kleidung, angemessene medizinische Versorgung und Hilfe für schutzbedürftige Personen.
  • Rückführungsverfahren Die betroffenen Mitgliedstaaten werden vereinfachte und schnellere nationale Verfahren für die Rückführung von Personen anwenden können, deren Antrag auf internationalen Schutz abgelehnt wurde.

Diese Verfahren müssen im Einklang mit den im EU-Recht vorgesehenen Grundrechten und spezifischen Garantien hinsichtlich des Kindeswohls, der medizinischen Notversorgung und Berücksichtigung der Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen, der Anwendung von Zwangsmaßnahmen und der Haftbedingungen stehen.

Praktische Unterstützung und Zusammenarbeit:

  • Unterstützung durch EU-Agenturen: Die EU-Agenturen sind bereit, die Mitgliedstaaten auf Anfrage zu unterstützen. Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) kann bei der Registrierung und Bearbeitung von Anträgen, der Ermittlung schutzbedürftiger Migranten sowie der Verwaltung und der Einführung angemessener Normen für die Aufnahmeeinrichtungen Unterstützung leisten. Weitere Unterstützung durch Frontex steht für Grenzkontrolltätigkeiten, einschließlich Screening- und Rückführungsaktionen, zur Verfügung. Für die Bereitstellung von Erkenntnissen können die Mitgliedstaaten auf Europol zurückgreifen.
  • Fortsetzung der Zusammenarbeit: Die Kommission, die Mitgliedstaaten und die EU-Agenturen werden ihre Zusammenarbeit fortsetzen. In diesem Rahmen sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle relevanten Daten über das EU-Vorsorge- und Krisenmanagementnetz für Migration zu melden.

Die Kommission wird die Lage regelmäßig prüfen und gegebenenfalls dem Rat vorschlagen, diese befristeten Maßnahmen zu verlängern oder aufzuheben.

Zum weiteren Vorgehen

Gemäß Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kann der Rat nach Anhörung des Europäischen Parlaments vorläufige Maßnahmen zugunsten der betreffenden Mitgliedstaaten erlassen. Dabei beschließt er mit qualifizierter Mehrheit. Nach Billigung durch den Rat sollte dieser Beschluss angesichts der Dringlichkeit der Lage am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.

Hintergrund

Seit dem Sommer haben das Lukaschenko-Regime und seine Unterstützer einen hybriden Angriff auf die EU begonnen. Insbesondere Litauen, Polen und Lettland erleben mit der Instrumentalisierung verzweifelter Menschen eine perfide neue Bedrohung.

Im Oktober 2021 ersuchte der Europäische Rat die Kommission, alle erforderlichen Änderungen des Rechtsrahmens der EU vorzuschlagen, um auf die staatlich geförderte Instrumentalisierung der Menschen an der Außengrenze der EU zu Belarus zu reagieren. Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht den Erlass vorläufiger Maßnahmen in Migrationsnotlagen an den EU-Außengrenzen vor.

Der heutige Vorschlag ist der jüngste Teil einer Reihe koordinierter EU-Maßnahmen, die u. a. Folgendes umfassen: gezielte Maßnahmen gegen Verkehrsunternehmen, die den Schmuggel erleichtern oder daran beteiligt sind, diplomatische Bemühungen und auswärtiges Handeln, Verstärkung der humanitären Hilfe, der Unterstützung des Grenzmanagements und der Migrationssteuerung.

Dieser Vorschlag steht im Einklang mit dem umfassenden Konzept des neuen Migrations- und Asylpakets. Er ergänzt den Schengener Grenzkodex und die bevorstehende Schengen-Reform, zu der die Kommission einen ständigen Rahmen vorschlagen will, um möglichen künftigen Fällen einer politischen Instrumentalisierung von Migranten zu begegnen.