Das Sozialgericht Dresden hat mit Urteil vom 27.09.2019 zum Aktenzeichen S 4 876/18 entschieden, dass Versicherte mit einer leistungsmindernden psychischen Erkrankung auch dann einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung haben, wenn vorhandene Therapiemöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft worden sind oder eine Behandlung bislang nicht stattgefunden hat.
Aus der Pressemitteilung des Sozialgerichts Dresden Nr. 5/2019 vom 18.11.2019 ergibt sich:
Die Frage der Behandelbarkeit einer psychischen Erkrankung sei lediglich für die Dauer und Befristung einer Rente von Bedeutung, so das Sozialgericht.
Der 37-jährige arbeitslose Kläger beantragte bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland aufgrund seiner überwiegend psychiatrischen Erkrankungen eine Rente wegen Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Kläger nach ihrer sozialmedizinischen Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne. Es liege ein sog. Behandlungsfall vor: Eine länger anhaltende quantitative Leistungsminderung könne deswegen nicht angenommen werden, weil die Symptome des Klägers durch eine adäquate Therapie in einem überschaubaren Zeitraum gebessert werden könnten. Bislang sei aber weder eine fachärztlich-psychiatrische Therapie, eine ambulante Psychotherapie, noch eine stationäre/ teilstationäre Psychotherapie erfolgt.
Das SG Dresden hat die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland verurteilt, dem Kläger eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Nach Auffassung des Sozialgerichts stand fest, dass der Kläger seit dem Jahr 2017 wegen Krankheit außerstande war, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die fehlende Behandlung ändere daran nichts. Einerseits sei diese oft nicht durch die Versicherten selbst verschuldet, sondern liege an einer (mangelnden) ärztlichen Beratung oder aber den begrenzten Therapieplätzen. Zum anderen gäbe es für die Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland keine gesetzliche Grundlage. Sofern erfolgsversprechende Behandlungsmöglichkeiten bestünden, könne der Rentenversicherungsträger die Rentenzahlung wegen Erwerbsminderung nur dann gemäß § 66 SGB I verweigern, wenn der Versicherte nach Aufforderung zumutbare Behandlungen nicht ergreife.