Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat am 25.11.2021 zum Aktenzeichen 13 KN 132/20, 13 KN 389/20 und 13 KN 62/20 in Normenkontrollverfahren gegen die Niedersächsischen Corona-Verordnungen erstmals mündlich verhandelt und Hauptsacheentscheidungen getroffen.
Aus der Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 59/2021 vom 29.11.2021 ergibt sich:
Die Verfahren betrafen die allgemeine Maskenpflicht nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 17. April 2020 in der Fassung vom 24. April 2020 (13 KN 132/20 u.a.), die Maskenpflicht in Fitnessstudios außerhalb sportlicher Betätigung nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. Oktober 2020 in der Fassung vom 22. Oktober 2020 (13 KN 389/20) und Betriebsschließungen und -beschränkungen von Autowaschanlagen nach den Niedersächsischen Corona-Verordnungen vom 2. April 2020, vom 7. April 2020 in der Fassung vom 9. April 2020 und vom 17. April 2020 in der Fassung vom 24. April 2020 (13 KN 62/20). Die Normenkontrollverfahren sind von verschiedenen Antragstellern während der Geltungsdauer dieser Niedersächsischen Corona-Verordnungen anhängig gemacht und nach deren Außerkrafttreten mit Feststellungsanträgen fortgeführt worden.
In allen Verfahren hat der 13. Senat seine in den Normenkontrolleilverfahren gewonnene Auffassung bestätigt, dass die Niedersächsischen Corona-Verordnungen bisher auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhten, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Die Notwendigkeit der einzelnen verordneten Infektionsschutzmaßnahmen hat der Senat aber differenziert bewertet. Dabei hat er für die Beurteilung der Notwendigkeit der Infektionsschutzmaßnahmen allein die Sach- und Kenntnislage der die Maßnahmen anordnenden zuständigen Infektionsschutzbehörde im Zeitpunkt ihres Handelns für maßgeblich erachtet (sog. ex-ante-Sicht).
In den Verfahren 13 KN 132/20 u.a. hat der Senat die allgemeine Maskenpflicht nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 17. April 2020 in der Fassung vom 24. April 2020 als notwendige Infektionsschutzmaßnahme anerkannt und die Normenkontrollanträge abgelehnt. Selbst den seiner Zeit nur geforderten „textilen Barrieren“, darunter „Schals, Tücher, Buffs“, habe eine filternde Wirkung auf die Ausatemluft zukommen können, indem sie in dieser vorhandene Tröpfchen und Partikel teilweise zurückhielten oder jedenfalls deren Austrittsgeschwindigkeit und damit den Ausbreitungsradius verringerten.
Abhängig vom jeweiligen individuellen Wirkungsgrad der verwendeten Maske und der Zahl der Personen, die eine solche trügen, habe die Maskenpflicht daher als eine Maßnahme angesehen werden können, die den Schutz Fremder vor einer Infektion verbessert habe. Mildere, aber gleich geeignete Maßnahmen seien seiner Zeit nicht verfügbar gewesen.
Das bloße Abstandsgebot habe in den von der Verordnung umfassten Fallkonstellationen nicht genügt.
Im Verfahren 13 KN 389/20 hat der Senat auch die Maskenpflicht in Fitnessstudios außerhalb sportlicher Betätigung nach der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. Oktober 2020 in der Fassung vom 22. Oktober 2020 als notwendige Infektionsschutzmaßnahme angesehen und den Normenkontrollantrag abgelehnt. Zwar sei die allgemeine Eignung zur Infektionsvermeidung herabgesetzt, wenn die Maske im Fitnessstudio nur außerhalb sportlicher Betätigung getragen werden müsse. Es verbleibe insoweit aber ein Restnutzen, der immer noch höher zu bewerten sei als die mit der Maskenpflicht verbundene geringe Belastung der von ihr Betroffenen.
Im Verfahren 13 KN 62/20 hat der Senat festgestellt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 2. April 2020 unwirksam gewesen ist, soweit danach Autowaschanlagen für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen waren, und dass § 3 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. April 2020 unwirksam gewesen ist, soweit danach die Nutzung von Autowaschanlagen auf die Reinigung gewerblich oder dienstlich eingesetzter Fahrzeuge sowie die vollautomatische Reinigung privat genutzter Fahrzeuge ohne Durchführung vor- und nachgelagerter Reinigungsschritte durch die Kundinnen und Kunden beschränkt war. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass auch nach dem Erkenntnisstand bei Verordnungserlass die Schließung oder die Betriebsbeschränkung von Autowaschanlagen in dem angeordneten Umfang nicht mehr als notwendige Infektionsschutzmaßnahme hätte angesehen werden können. Als mildere und gleich geeignete Maßnahme wäre vielmehr, anders als etwa im Einzelhandel oder in der Gastronomie, ein striktes Abstandsgebot zur Infektionsvermeidung ausreichend gewesen. Für Autowaschanlagen, die neben einer Tankstelle betrieben würden, wäre hilfsweise allenfalls eine Beschränkung auf Kundinnen und Kunden der Tankstelle notwendig gewesen. Im Übrigen hat der Senat den Antrag mangels rechtzeitiger Antragstellung während der Gültigkeitsdauer der Verordnung vom 17. April 2020 in der Fassung vom 24. April 2020 als unzulässig verworfen.
Der 13. Senat hat die Revision gegen seine Urteile nicht zugelassen. Diese Nichtzulassung kann von dem unterlegenen Verfahrensbeteiligten mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angegriffen werden.