Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein hat mit Beschluss vom 22.09.2022 zum Aktenzeichen 2 MB 8/22 im Konkurrentenverfahren entschieden, dass die Stelle der Generalstaatsanwältin bzw. des Generalstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein vorläufig mit der vom Ministerpräsidenten ausgewählten Bewerberin nicht besetzt werden darf. Mit dieser Entscheidung wurde der Beschwerde eines unterlegenen Mitbewerbers gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 5. Mai 2022 stattgegeben und dieser geändert. Nunmehr muss eine neue Auswahlentscheidung getroffen werden. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Aus der Pressemitteilung des OVG SH vom 22.09.2022 ergibt sich:
Während das Verwaltungsgericht noch zu dem Schluss gekommen war, dass die zwischen drei Bewerbungen getroffene Auswahlentscheidung weder Formfehler noch sachliche Mängel aufweise, sieht der 2. Senat in der streitigen Auswahlentscheidung das Recht des die Beschwerde führenden Mitbewerbers auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung aus mehreren Gründen als verletzt an. Er könne deshalb verlangen, dass über seine Bewerbung nochmals und nunmehr fehlerfrei entschieden werde. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass er in einem neuen Auswahlverfahren erfolgreich sein werde.
Beanstandet wurde zunächst, dass es an tragfähigen Erkenntnissen über das Leistungsvermögen der konkurrierenden Kandidaten gefehlt habe, weil die Beurteilung der ausgewählten Bewerberin fehlerhaft und damit nicht ausreichend aussagekräftig sei. Bei der in die Beurteilung einbezogenen Prüfertätigkeit und dem Engagement in einem Berufsverband handele es sich um außerdienstliche Tätigkeiten, die zur Plausibilisierung des Einzelmerkmals „Fachkenntnisse“ herangezogen worden seien. Dies verstoße gegen die geltenden Beurteilungsrichtlinien.
Ob die im Verfahren zutage getretene Beurteilungspraxis noch eine ausreichende Differenzierung zulasse, obwohl die ausgewählte Bewerberin und der Beschwerde führende Mitbewerber im Gesamturteil und in allen Einzelmerkmalen mit der Höchstnote beurteilt seien und ob auf dieser Grundlage zusätzlich ein Auswahlgespräch hätte geführt werden dürfen, hat der Senat offen gelassen. Er beanstandet allerdings ein sodann als entscheidend definiertes „Kompetenzfeld“ mit der Umschreibung „herausgehobene juristische und justizpolitische Expertise“, welches nach der Begründung der Auswahlentscheidung von der ausgewählten Bewerberin eindrucksvoll belegt werde durch ihre nebenamtlichen Tätigkeiten als Vorsitzende einer Kommission des Deutschen Richterbundes und als Vizepräsidentin des Verkehrsgerichtstages. Sie sei außerdem fachlich und justiziell „bestens vernetzt“ und „durch ihre jahrelange Verantwortung für zahlreiche Verfahren mit herausgehobener politischer Bedeutung mit parlamentarischen Abläufen und rechtspolitischen Implikationen der Strafverfolgungstätigkeit vertraut“. Vergleichbare Qualitäten und Erfahrungen könne ihr Mitbewerber trotz seiner hervorragenden juristischen Fähigkeiten im Bereich der juristischen und justizpolitischen Expertise nicht vorweisen.
Auf dieses Kriterium habe die Auswahlentscheidung schon deshalb nicht gestützt werden dürfen, weil es keinem der vorgesehenen Einzelmerkmale zugeordnet und zu unbestimmt sei. Auf welche Erfahrungen bzw. daraus gewonnenen justizpolitischen Fähigkeiten oder Kenntnisse insoweit konkret abgestellt worden sei, ergebe sich nicht. Gleiches gelte für die Frage, warum die aus dienstlichen Erfahrungen gewonnenen justizpolitischen Fähigkeiten oder Kenntnisse des Mitbewerbers nicht mit denen der ausgewählten Bewerberin vergleichbar sein sollten; dies ergebe sich insbesondere nicht aus einem Vergleich der beruflichen Werdegänge. Unter engen Voraussetzungen könnten zwar über die dienstlichen Erfahrungen hinaus auch solche aus Nebentätigkeiten herangezogen werden, doch dürften diese dann nicht – wie geschehen – nur einseitig in den Blick genommen werden. Vielmehr müssten auch insoweit gleiche Bewertungsmaßstäbe angelegt werden. Dass auch der Mitbewerber ehrenamtlich tätig sei, bleibe aber unerwähnt. Schließlich hätte das Kriterium „herausgehobene juristische und justizpolitische Expertise“, wenn es denn für die Auswahl entscheidend sein solle, von vornherein in der Stellenausschreibung mit aufgenommen werden und entsprechend in den Beurteilungen Berücksichtigung finden müssen.