Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. Mai 2022 zum Aktenzeichen 1 BvR 2342/17 entschieden, dass eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz) nicht zur Entscheidung angenommen. Sie betrifft die Frage, ob der Bundesgerichtshof mit der Anerkennung einer urheberrechtlichen Vergütungspflicht für direkt an gewerbliche Endkunden veräußerte PCs das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt hat, weil die Entscheidung ohne Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens gemäß Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erging.
Aus der Pressemitteilung Nr. 57/2022 vom 28. Juni 2022 ergibt sich:
Sachverhalt:
Gegenstand des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens war der Abschluss eines Gesamtvertrages zwischen dem Beschwerdeführer, eine Nutzervereinigung im Sinne der §§ 8, 35 Verwertungsgesellschaftsgesetz, und den zuständigen Verwertungsgesellschaften der Urheber zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht für PCs. Zentraler Streitpunkt war die Frage, ob sich die urheberrechtliche Vergütungspflicht auch auf PCs erstreckt, die unmittelbar an gewerbliche Endkunden veräußert werden.
Das Oberlandesgericht wies die Klage des Beschwerdeführers ab und setzte auf Widerklage der Verwertungsgesellschaften einen Gesamtvertrag fest, der auch eine Vergütungspflicht für direkt an gewerbliche Endkunden gelieferte PCs umfasste. Der Bundesgerichtshof wies die hiergegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers zurück.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter, weil der Bundesgerichtshof ohne Durchführung eines Vorabentscheidungsersuchens zur Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 2001/29/EG an den EuGH entschieden hat.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, dass der Bundesgerichtshof seine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV im Ausgangsverfahren in nicht mehr vertretbarer Weise gehandhabt und durch das Unterlassen der Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt hat.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein nationales letztinstanzliches Gericht zur Vorlage verpflichtet, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass diese Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Ein nationales Gericht darf einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage nur verneinen, wenn es überzeugt ist, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit besteht.
Der Bundesgerichtshof hat die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV weder grundsätzlich verkannt noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er in den angegriffenen Entscheidungen ohne Vorlagebereitschaft bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen wäre. Er hat zwar die unionsrechtliche Vorlagepflicht in Erwägung gezogen, aber angenommen, dass die Anwendung der urheberrechtlichen Vergütungsregelung auch auf unmittelbar an gewerbliche Endkunden veräußerte PCs im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stehe und die Rechtslage unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt sei. Diese Annahme traf der BGH auch nicht in unvertretbarer Weise.
Zwar ist angesichts der divergierenden Rechtsprechung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs zweifelhaft, ob hinsichtlich einer grundsätzlichen Erstreckung der Vergütungspflicht auf gewerbliche Geräteabnehmer von einer unionsrechtlichen Rechtslage auszugehen ist, die eindeutig oder in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt. Wenn dem in letzter Instanz entscheidenden einzelstaatlichen Gericht das Vorliegen voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen – von Gerichten ein und desselben Mitgliedstaats oder zwischen Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten – zur Auslegung einer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Vorschrift des Unionsrechts zur Kenntnis gebracht wird, muss es bei seiner Beurteilung der Frage, ob es an einem vernünftigen Zweifel in Bezug auf die richtige Auslegung der fraglichen Unionsrechtsvorschrift fehlt, besonders sorgfältig sein und dabei insbesondere das mit dem Vorabentscheidungsverfahren angestrebte Ziel berücksichtigen, die einheitliche Auslegung des Unionsrechts zu gewährleisten.
Hier trägt der Beschwerdeführer aber nicht vor, wann die nur kurze Zeit vor der Verkündung des angegriffenen Revisionsurteils ergangene Entscheidung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs veröffentlicht wurde, so dass anzunehmen wäre, dass der Bundesgerichtshof diese zum maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsverkündung gekannt hätte oder sie jedenfalls hätte kennen müssen.
Zudem stellte die Kammer klar, dass die durch den Beschwerdeführer ebenfalls aufgeworfene Frage, ob die Generalklauseln im deutschen Recht die Anforderungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union an einen Anspruch auf Erstattung einer geleisteten Privatkopievergütung stellt, als Frage der Subsumtion des nationalen Rechts unter das Unionsrecht schon nach dem Wortlaut des Art. 267 Abs. 1 Buchstabe a AEUV nicht vorlagefähig war. Kommt das höchste nationale Fachgericht – wie hier der Bundesgerichtshof – zu dem Ergebnis, dass das nationale Recht unter Einbeziehung seiner Generalklauseln so ausgelegt werden kann, dass es den unionsrechtlichen Erfordernissen gerecht wird, ergibt sich daraus keine vorlagefähige Rechtsfrage. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedürfe es nur, wenn unklar sei, wie die unionsrechtlichen Anforderungen zu verstehen sind.