Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Urteile wegen „Cum-Ex-Aktiengeschäften“ von in diesem Verfahren nicht angeklagten Beschwerdeführern

Das Bundesverfassungsgericht hat am 22.11.2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 1872/21 eine Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich die Beschwerdeführer gegen Strafurteile wegen sogenannter „Cum-Ex-Aktiengeschäfte“ wenden.

Aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 103/2021 vom 03.12.2021 ergibt sich:

Der Beschwerdeführer zu 2 ist durch die angegriffenen Rechtsakte nicht selbst betroffen und damit nicht beschwerdebefugt. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1 genügt den Begründungs- und Substantiierungsanforderungen nicht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass es beide Beschwerdeführer unternommen hätten, fachgerichtlich gegen die Veröffentlichung der Entscheidungen und die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vorzugehen, sodass der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde auch der Subsidiaritätsgrundsatz entgegensteht.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer – Anteilseigner einer deutschen Privatbank – wenden sich gegen Urteile des Landgerichts Bonn und des Bundesgerichtshofs. Das Landgericht Bonn hatte deutschlandweit die ersten Angeklagten wegen sogenannter „Cum-Ex-Aktiengeschäfte“ verurteilt. Die Beschwerdeführer selbst waren in diesem Verfahren nicht angeklagt. In den Urteilsgründen ist allerdings ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zu 1 gemeinschaftlich mit weiteren Dritten in mehreren Fällen vorsätzlich und rechtswidrig den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht habe, wozu die Angeklagten Hilfe geleistet hätten. Zum Beschwerdeführer zu 2 enthält das Urteil keine Ausführungen. Der Bundesgerichtshof verwarf ganz überwiegend die gegen das Urteil gerichteten Revisionen. Beide angegriffenen Urteile wurden – anonymisiert – veröffentlicht. Der Bundesgerichtshof gab zudem eine Pressemitteilung heraus.

Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, Landgericht und Bundesgerichtshof hätten die Unschuldsvermutung missachtet. Die Veröffentlichung der Urteile sowie die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs verletzten sie zudem in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

Die unzulässige Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

  1. Der Beschwerdeführer zu 2 ist nicht beschwerdebefugt. Er ist nicht selbst durch die angegriffenen Urteile betroffen, weil er dort nicht genannt wird. Eine eigene Betroffenheit lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass sein Name mit der Privatbank „untrennbar verbunden“ sei, denn dies ändert nichts daran, dass die angegriffenen Urteile keine Feststellungen zu seiner Person enthalten. Soweit der Beschwerdeführer zu 2 eine eigene Betroffenheit aus einem gegen ihn gerichteten, die angegriffenen Urteile in Bezug nehmenden Verwaltungsverfahren der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht abzuleiten sucht, fehlt es an der Unmittelbarkeit der Betroffenheit.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Richtlinie (EU) 2016/343. Die Mitgliedstaaten müssen danach sicherstellen, dass, solange die Schuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsförmlich nachgewiesen wurde, unter anderem in gerichtlichen Entscheidungen „nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig“. Dies ist in Bezug auf den Beschwerdeführer zu 2 nicht der Fall, da die angegriffenen Urteile auf seine Person nicht Bezug nehmen und auch keine Feststellungen über seine strafrechtliche Schuld enthalten.

  1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1 genügt den Begründungs- und Substantiierungsanforderungen nicht.

Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Grundrechtsverletzung die argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angegriffenen Entscheidungen. Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den verfassungsgerichtlich entwickelten Maßstäben zu begründen. Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Der Beschwerdeführer zu 1 hat sich, soweit er eine Verletzung der Unschuldsvermutung behauptet, nicht mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt. In vergleichbarer Konstellation hat das Bundesverfassungsgericht – im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – eine Verletzung der Unschuldsvermutung verneint (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 3. September 2009 – 2 BvR 2540/08 -, juris; EGMR, Urteil vom 27. Februar 2014 – 17103/10 -, juris).

  1. Im Übrigen haben beide Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht im Sinne des § 90 Abs. 2 BVerfGG erschöpft. Es ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich, dass bezüglich der Veröffentlichung der angegriffenen Entscheidungen und der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs kein fachgerichtlicher Rechtsschutz zu erlangen gewesen wäre.