Der Europäische Gerichtshof hat am 16.07.2020 zum Aktenzeichen C-311/18 die EU-US-Datenschutzvereinbarung „Privacy Shield“ für ungültig erklärt, da sie nicht mit dem europäischen Datenschutzniveau vereinbar ist.
Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 91/2020 vom 16.07.2020 ergibt sich:
Allerdings können Nutzerdaten von EU-Bürgern weiterhin auf Basis sogenannter Standardvertragsklauseln in die USA und andere Staaten übertragen werden, so der EuGH.
Die Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 – DSGVO) bestimmt, dass personenbezogene Daten grundsätzlich nur dann in ein Drittland übermittelt werden dürfen, wenn das betreffende Land für die Daten ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet. Nach dieser Verordnung kann die Kommission feststellen, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder seiner internationalen Verpflichtungen ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet (Art. 45 der DSGVO.). Liegt kein derartiger Angemessenheitsbeschluss vor, darf eine solche Übermittlung nur erfolgen, wenn der in der Union ansässige Exporteur der personenbezogenen Daten geeignete Garantien vorsieht, die sich u.a. aus von der Kommission erarbeiteten Standarddatenschutzklauseln ergeben können, und wenn die betroffenen Personen über durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe verfügen (Art. 46 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c der DSGVO). Ferner ist in der DSGVO genau geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Übermittlung vorgenommen werden darf, falls weder ein Angemessenheitsbeschluss vorliegt noch geeignete Garantien bestehen (Art. 49 der DSGVO).
Herr Schrems, ein in Österreich wohnhafter österreichischer Staatsangehöriger, ist seit 2008 Nutzer von Facebook. Wie bei allen anderen im Unionsgebiet wohnhaften Nutzern werden seine personenbezogenen Daten ganz oder teilweise von Facebook Ireland an Server der Facebook Inc., die sich in den Vereinigten Staaten befinden, übermittelt und dort verarbeitet. Herr Schrems legte bei der irischen Aufsichtsbehörde eine Beschwerde ein, die im Wesentlichen darauf abzielte, diese Übermittlungen verbieten zu lassen. Er machte geltend, das Recht und die Praxis der Vereinigten Staaten böten keinen ausreichenden Schutz vor dem Zugriff der Behörden auf die dorthin übermittelten Daten. Seine Beschwerde wurde u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, die Kommission habe in ihrer Entscheidung 2000/5205 (sog. „Safe-Harbour-Entscheidung“) festgestellt, dass die Vereinigten Staaten ein angemessenes Schutzniveau gewährleisteten. Mit Urteil vom 06.10.2015 (C-362/14) erklärte der EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen des irischen High Court hin diese Entscheidung für ungültig (im Folgenden: Urteil Schrems I). Nachdem das Urteil Schrems I ergangen war und der irische High Court daraufhin die Entscheidung, mit der die Beschwerde von Herrn Schrems zurückgewiesen worden war, aufgehoben hatte, forderte die irische Aufsichtsbehörde Herrn Schrems auf, seine Beschwerde unter Berücksichtigung der Ungültigerklärung der Safe-Harbour-Entscheidung durch den EuGH umzuformulieren. Mit seiner umformulierten Beschwerde macht Herr Schrems geltend, dass die Vereinigten Staaten keinen ausreichenden Schutz der dorthin übermittelten Daten gewährleisteten. Er beantragt, die von Facebook Ireland nunmehr auf der Grundlage der Standardschutzklauseln im Anhang des Beschlusses 2010/87 (ABl. 2016, L 334, 100) vorgenommene Übermittlung seiner personenbezogenen Daten aus der Union in die Vereinigten Staaten für die Zukunft auszusetzen oder zu verbieten. Die irische Aufsichtsbehörde war der Auffassung, dass die Bearbeitung der Beschwerde von Herrn Schrems insbesondere von der Gültigkeit des Beschlusses 2010/87 über Standardvertragsklauseln abhänge, und strengte daher ein Verfahren vor dem High Court an, damit er den EuGH mit einem Vorabentscheidungsersuchen befassen möge. Nachdem dieses Verfahren eingeleitet worden war, erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2016/1250 über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild („Privacy Shield“) gebotenen Schutzes (ABl. 2016, L 207, 1).
Mit seinem Vorabentscheidungsersuchen fragt der irische High Court den EuGH nach der Anwendbarkeit der DSGVO auf Übermittlungen personenbezogener Daten, die auf die Standardschutzklauseln im Beschluss 2010/87 gestützt werden, sowie nach dem Schutzniveau, das diese Verordnung im Rahmen einer solchen Übermittlung verlangt, und den Pflichten, die den Aufsichtsbehörden in diesem Zusammenhang obliegen. Des Weiteren wirft der High Court die Frage der Gültigkeit sowohl des Beschlusses 2010/87 über Standardvertragsklauseln als auch des Privacy Shield-Beschlusses 2016/1250 auf.
Der EuGH hat den Beschluss 2016/1250 über die Angemessenheit des vom EU-US-Datenschutzschild gebotenen Schutzes (Privacy Shield-Beschluss) für ungültig erklärt. Der Beschluss 2010/87 der Kommission über Standardvertragsklauseln für die Übermittlung personenbezogener Daten an Auftragsverarbeiter in Drittländern sei hingegen gültig, so der EuGH.
Nach Auffassung des EuGH findet das Unionsrecht, insbesondere die DSGVO, auf eine zu gewerblichen Zwecken erfolgende Übermittlung personenbezogener Daten durch einen in einem Mitgliedstaat ansässigen Wirtschaftsteilnehmer an einen anderen, in einem Drittland ansässigen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung, auch wenn die Daten bei ihrer Übermittlung oder im Anschluss daran von den Behörden des betreffenden Drittlands für Zwecke der öffentlichen Sicherheit, der Landesverteidigung und der Sicherheit des Staates verarbeitet werden können. Eine derartige Datenverarbeitung durch die Behörden eines Drittlands könne nicht dazu führen, dass eine solche Übermittlung vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen wäre.
In Bezug auf das im Rahmen einer solchen Übermittlung erforderliche Schutzniveau sei festzustellen, dass die insoweit in der DSGVO vorgesehenen Anforderungen, die sich auf geeignete Garantien, durchsetzbare Rechte und wirksame Rechtsbehelfe beziehen, dahin auszulegen seien, dass die Personen, deren personenbezogene Daten auf der Grundlage von Standarddatenschutzklauseln in ein Drittland übermittelt werden, ein Schutzniveau genießen müssten, das dem in der Union durch die DSGVO im Licht der Charta garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig sei. Bei der Beurteilung dieses Schutzniveaus seien sowohl die vertraglichen Regelungen zu berücksichtigen, die zwischen dem in der Union ansässigen Datenexporteur und dem im betreffenden Drittland ansässigen Empfänger der Übermittlung vereinbart wurden, als auch, was einen etwaigen Zugriff der Behörden dieses Drittlands auf die übermittelten Daten betrifft, die maßgeblichen Aspekte der Rechtsordnung dieses Landes.
Hinsichtlich der Pflichten, die den Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit einer solchen Übermittlung obliegen, befindet der EuGH, dass diese Behörden, sofern kein gültiger Angemessenheitsbeschluss der Kommission vorliegt, insbesondere verpflichtet sind, eine Übermittlung personenbezogener Daten in ein Drittland auszusetzen oder zu verbieten, wenn sie im Licht der Umstände dieser Übermittlung der Auffassung sind, dass die Standarddatenschutzklauseln in diesem Land nicht eingehalten werden oder nicht eingehalten werden können und dass der nach dem Unionsrecht erforderliche Schutz der übermittelten Daten nicht mit anderen Mitteln gewährleistet werden kann, es sei denn, der in der Union ansässige Datenexporteur hat die Übermittlung selbst ausgesetzt oder beendet.
Sodann prüft der EuGH die Gültigkeit des Beschlusses 2010/87 über Standardvertragsklauseln. Er sieht sie nicht schon dadurch in Frage gestellt, dass die in diesem Beschluss enthaltenen Standarddatenschutzklauseln aufgrund ihres Vertragscharakters die Behörden des Drittlands, in das möglicherweise Daten übermittelt werden, nicht binden. Vielmehr hänge sie davon ab, ob der Beschluss wirksame Mechanismen enthalte, die in der Praxis gewährleisten könnten, dass das vom Unionsrecht verlangte Schutzniveau eingehalten werde und dass auf solche Klauseln gestützte Übermittlungen personenbezogener Daten ausgesetzt oder verboten werden, wenn gegen diese Klauseln verstoßen werde oder ihre Einhaltung unmöglich sei. Der Beschluss 2010/87 sehe derartige Mechanismen vor, denn gemäß diesem Beschluss müssten der Datenexporteur und der Empfänger der Übermittlung vorab prüfen, ob das erforderliche Schutzniveau im betreffenden Drittland eingehalten werde, und der Empfänger müsse dem Datenexporteur gegebenenfalls mitteilen, dass er die Standardschutzklauseln nicht einhalten könne, woraufhin der Exporteur die Datenübermittlung aussetzen und/oder vom Vertrag mit dem Empfänger zurücktreten müsse.
Schließlich prüft der EuGH die Gültigkeit des Privacy-Shield-Beschlusses 2016/1250 anhand der Anforderungen der DSGVO im Licht der Bestimmungen der Charta, die die Achtung des Privat- und Familienlebens, den Schutz personenbezogener Daten und das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verbürgen. Insoweit sei festzustellen, dass in diesem Beschluss, ebenso wie in der Safe-Harbour-Entscheidung 2000/520, den Erfordernissen der nationalen Sicherheit, des öffentlichen Interesses und der Einhaltung des amerikanischen Rechts Vorrang eingeräumt werde, was Eingriffe in die Grundrechte der Personen ermögliche, deren Daten in die Vereinigten Staaten übermittelt werden. Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Kommission im Privacy-Shield-Beschluss 2016/1250 bewerteten Einschränkungen des Schutzes personenbezogener Daten, die sich daraus ergeben, dass die amerikanischen Behörden nach dem Recht der Vereinigten Staaten auf solche Daten, die aus der Union in dieses Drittland übermittelt werden, zugreifen und sie verwenden dürfen, nicht dergestalt geregelt sind, dass damit Anforderungen erfüllt würden, die den im Unionsrecht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestehenden Anforderungen der Sache nach gleichwertig wären, da die auf die amerikanischen Rechtsvorschriften gestützten Überwachungsprogramme nicht auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt sind. Gestützt auf die Feststellungen in diesem Beschluss weist der EuGH darauf hin, dass die betreffenden Vorschriften hinsichtlich bestimmter Überwachungsprogramme in keiner Weise erkennen lassen, dass für die darin enthaltene Ermächtigung zur Durchführung dieser Programme Einschränkungen bestehen; genauso wenig sei ersichtlich, dass für die potenziell von diesen Programmen erfassten Personen, die keine amerikanischen Staatsbürger sind, Garantien existieren. Zwar sehen diese Vorschriften Anforderungen vor, die von den amerikanischen Behörden bei der Durchführung der betreffenden Überwachungsprogramme einzuhalten seien, aber sie verleihen den betroffenen Personen keine Rechte, die gegenüber den amerikanischen Behörden gerichtlich durchgesetzt werden könnten.
In Bezug auf das Erfordernis des gerichtlichen Rechtsschutzes sei festzustellen, dass der im Privacy-Shield-Beschluss 2016/1250 angeführte Ombudsmechanismus entgegen den darin von der Kommission getroffenen Feststellungen den betroffenen Personen keinen Rechtsweg zu einem Organ eröffne, das Garantien böte, die den nach dem Unionsrecht erforderlichen Garantien der Sache nach gleichwertig wären, d.h. Garantien, die sowohl die Unabhängigkeit der durch diesen Mechanismus vorgesehenen Ombudsperson als auch das Bestehen von Normen gewährleisten, die die Ombudsperson dazu ermächtigen, gegenüber den amerikanischen Nachrichtendiensten verbindliche Entscheidungen zu erlassen. Aus all diesen Gründen sei der Beschluss 2016/1250 ungültig.