Der Bundesfinanzhof hat am 17.06.2020 zum Aktenzeichen II R 40/17 entschieden, dass auch unbekannte Erben zur Erbschaftsteuer herangezogen werden können, wenn ausreichend Zeit bestand, die wahren Erben zu ermitteln, dies aber nicht gelungen ist.
Aus der Pressemitteilung des BFH Nr. 40/2020 vom 15.10.2020 ergibt sich:
Im Streitfall war die Erbengemeinschaft nach dem im Februar 2014 verstorbenen Erblasser zunächst nicht ermittelbar. Es wurde ein Nachlasspfleger bestellt. Dieser gab eine Erbschaftsteuererklärung ab. Ca. 14 Monate nach dem Tod des Erblassers setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer gegen „unbekannte Erben“ fest. Es schätzte, dass 20 Personen, die nicht näher mit dem Erblasser verwandt waren und deshalb in die Steuerklasse III fielen, den Erblasser zu gleichen Teilen beerbt hätten. Der Bescheid wurde dem Nachlasspfleger bekannt gegeben. Dieser legte dagegen in Vertretung der unbekannten Erben Einspruch ein und monierte, dass er nicht ausreichend Zeit gehabt hätte, die Erben zu ermitteln. Das Finanzamt könne nicht einfach schätzen, wie viele Erben etwas geerbt hätten und wie hoch die Freibeträge seien. Daraufhin änderte das Finanzamt die Anzahl der Erwerber auf 30 Erben ab. Ansonsten hielt es die Erbschaftsteuerfestsetzung unverändert aufrecht.
Das Finanzgericht und der BFH haben der Finanzbehörde Recht gegeben.
Nach Auffassung des BFH kann Erbschaftsteuer gegen die „unbekannten Erben“ festgesetzt werden, wenn die Erben noch nicht bekannt sind und eine Nachlasspflegschaft angeordnet ist. Bei diesen „unbekannten Erben“ handele es sich zunächst um ein abstraktes Subjekt, das sich später als eine oder mehrere reale Personen herausstellen könne. Somit sei ein Schuldner für die Erbschaftsteuer vorhanden. Das Finanzamt könne sich an den bestellten Nachlasspfleger wenden, der für die unbekannten Erben eine Erbschafsteuererklärung abzugeben habe. Das Finanzamt dürfe dann die Anzahl der Erben, die Erbquoten, die Zugehörigkeit zu einer Steuerklasse und die anwendbaren Freibeträge schätzen. Voraussetzung sei jedoch, dass der Nachlasspfleger nach dem Erbfall ausreichend Zeit hatte, zunächst die Erben zu ermitteln. Wieviel Zeit ihm dafür einzuräumen sei, könne von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Im Allgemeinen gelte die Faustregel, dass ein Jahr ausreichend sei.
Rufe der Nachlasspfleger das Finanzgericht an, dann müsse dieses die Schätzung des Finanzamts voll überprüfen. Könnten die zunächst unbekannten Erben bis zum Schluss des Gerichtsverfahrens ermittelt werden, dürfe die Erbschafsteuer aber nicht mehr gegen die unbekannten Erben festgesetzt werden. Werden die Erben auch im Verfahren vor dem Finanzgericht nicht ermittelt, könne das Gericht die Erbschaftsteuerschätzung gegen die unbekannten Erben aufrechterhalten und als seine eigene übernehmen. Der BFH sei in solchen Fällen dann ebenfalls an die Schätzung gebunden und könne sie nur auf grobe Fehler überprüfen.