Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 01.03.2023 zum Aktenzeichen 5 U 45/22 über Schmerzensgeld und Schadensersatz bei einer Erblindung nach einer Frühgeburt entschieden.
Aus der Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 20.03.2023 ergibt sich:
Bei Frühgeburten kann es zu nicht unerheblichen medizinischen Komplikationen kommen. Eine enge ärztliche Betreuung ist für das weitere Leben der betroffenen Kinder extrem wichtig. Der Arzthaftungssenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat jetzt einem frühgeborenen Kind ein Schmerzensgeld von 130.000 Euro sowie Schadensersatzansprüche für materielle Schäden zugesprochen.
Das klagende Kind war in der 25. Schwangerschaftswoche geboren worden. Es bestand – wie bei allen Frühgeborenen – ein besonderes Risiko für eine Netzhautablösung. Bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus drei Monate nach der Geburt wurde der Kläger regelmäßig augenärztlich untersucht. Bei der Entlassung wurde eine Kontrolle nach drei weiteren Monaten empfohlen. Bereits nach etwa fünf Wochen stellte sich heraus, dass sich eine Netzhautablösung entwickelt hatte. Das rechte Auge ist vollständig erblindet. Auf dem linken Auge hat der Kläger eine hochgradige Sehbehinderung.
Der Kläger machte geltend, es sei ein Fehler gewesen, eine Kontrolluntersuchung erst drei Monate nach der Krankenhausentlassung zu empfehlen. Das Landgericht Oldenburg hat die Klage abgewiesen, weil es einen direkten Zusammenhang zwischen dem späten Kontrolltermin und der Netzhautablösung nicht für erwiesen hielt. Der Senat sah dies anders: Bei der Empfehlung, das Kind erst in drei Monaten wieder einem Augenarzt vorzustellen, handele es sich um eine fehlerhafte Sicherungsaufklärung. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen hätte die gebotene deutlich frühere ärztliche Nachbegutachtung der Netzhaut zu einer weiteren, erfolgreichen Behandlung geführt (zB Laserbehandlung). Die Klinik hafte für den entstandenen Schaden.
Der Senat hat dem Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 Euro zugesprochen und ist damit deutlich über den Antrag des Klägers hinausgegangen. Dieser hatte den Prozess auf der Grundlage von Prozesskostenhilfe geführt und nur ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 80.000 € verlangt. Das Kind werde sein Leben lang auf Hilfen angewiesen sein. Außerdem schulde die beklagte Klinik Schadensersatz für die materiellen Schäden, die nicht durch die Sozialversicherungsträger übernommen werden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zugelassen.