Das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 3. März 2023 zum Aktenzeichen 5 K 664/21 entschieden, dass die Stadt Müllheim ihrer früheren Bürgermeisterin die Differenz zu den Bezügen nach der nächsthöheren Besoldungsgruppe erstatten muss.
Aus der Pressemitteilung des VG Freiburg vom 28.03.2023 ergibt sich:
Die Stadt Müllheim hat die aus der unterschiedlichen Besoldung im Bürgermeisteramt in den letzten drei Amtsperioden folgende Vermutung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung nicht widerlegt. Hierauf stützt das Verwaltungsgericht Freiburg sein Urteil, mit dem es am 3. März 2023 der Schadensersatzklage der früheren Müllheimer Bürgermeisterin stattgegeben hat.
Das Verwaltungsgericht Freiburg führt zur Begründung der Klagestattgabe im Wesentlichen aus, die Stadt Müllheim sei aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich Antidiskriminierungsgesetz, zum Schadensersatz verpflichtet. Für die Feststellung einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Geschlechts müsse die Ungleichbehandlung nicht allein an das Geschlecht anknüpfen. Vielmehr genüge es, wenn das Geschlecht die Entscheidung als Bestandteil eines Motivbündels beeinflusst habe. Außerdem müsse der Ursachenzusammenhang zwischen Geschlecht und Benachteiligung nach den im AGG vorgesehenen Beweiserleichterungen nicht positiv festgestellt werden: Wenn Indizien bewiesen seien, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen, trüge die Gegenseite die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliege.
Solche Indizien seien gegeben. Es sei dafür schon ausreichend, dass die frühere Bürgermeisterin auf Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses vom 16.11.2011 während ihrer Amtszeit niedriger besoldet worden sei als ihr männlicher Vorgänger in seinem letzten Amtsjahr und ihr männlicher Nachfolger von Beginn seiner Amtszeit an, obwohl es in der Zwischenzeit weder Veränderungen bezüglich des Aufgabenumfangs des Amtes noch ausschlaggebende Änderungen in der Einwohnerzahl gegeben habe. Solche Gründe allein hätten entscheidend sein müssen, da die Besoldung nach dem Landeskommunalbesoldungsgesetz allein nach objektiven, amtsbezogenen Kriterien (Umfang und Schwierigkeitsgrad des Amtes) unabhängig von der Person, die das Amt führt, zu erfolgen habe. Nach der auch vom Bundesarbeitsgericht aufgenommenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum europarechtlichen, alle Mitgliedstaaten verpflichtenden Gebot der Entgeltgleichheit (Art. 157 AEUV) begründe der Umstand, dass einer Person eines Geschlechts für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit ein niedrigeres Entgelt gezahlt werde als einer Person des anderen Geschlechts, die widerlegbare Vermutung, dass die Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ erfolge. Dies gelte auch für Kommunalbeamtinnen und –beamte.
Die Vermutung einer solchen geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung sei nicht widerlegt. Denn die Stadt Müllheim habe nicht nachgewiesen, dass das Geschlecht der früheren Bürgermeisterin bei der Gemeinderatsentscheidung über ihre Besoldungsgruppe keine Rolle gespielt habe. Die Stadt hätte Tatsachen dafür vortragen und ggf. beweisen müssen, dass ausschließlich andere Gründe zu der Benachteiligung geführt hätten. Dies sei ihr nicht gelungen. Der Gemeinderatsbeschluss und die zugehörige Beschlussvorlage ließen nicht erkennen, welche anderen Gründe zu der Benachteiligung geführt haben sollten. Erwägungen für die Einstufung in die niedrigere Besoldungsgruppe seien nirgends niedergelegt. Dass diese mangelhafte Dokumentation keine wirksame Kontrolle der Gemeinderatsentscheidung auf Diskriminierungsfreiheit ermögliche, gehe zu Lasten der Stadt.