Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 3.1.2023 zum Aktenzeichen 3 Ws 488/22 entschieden, dass eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer medikamentösen Zwangsbehandlung in der vorläufigen Unterbringung nur mit Beteiligung des Pflichtverteidigers und der bestmöglichen Sachverhaltsaufklärung erfolgen darf.
Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main Nr. 4/2023 vom 18.01.2023 ergibt sich.
Das Landgericht musste über die Rechtmäßigkeit der medikamentösen Zwangsbehandlung einer Angeklagten entscheiden. Diese war, weil dringende Gründe für die Annahme vorlagen, dass sie im Zustand der Schuldunfähigkeit schwere Straftraten begangen hat, vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht (§ 126a StPO). Die Entscheidung hätte hier nur unter Einbindung des Pflichtverteidigers und der persönlichen Anhörung der betroffenen Person unter sachverständiger Beratung erfolgen dürfen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) und hob mit heute veröffentlichter Entscheidung die landgerichtliche Entscheidung auf.
Der Beschwerdeführerin werden versuchte räuberische Erpressung und mehrere Brandstiftungen vorgeworfen. Das Strafverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Sie ist u.a. wegen einer Psychose und einer aufgehobenen bzw. nicht ausschließbaren Einschränkung der Steuerfähigkeit vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Auf Antrag der Klinik genehmigte das zuständige Ministerium für Soziales und Integration die zwangsweise Behandlung der Beschwerdeführerin Anfang Oktober. Der Klinikleiter ordnete daraufhin die intramuskuläre Behandlung mit Antipsychotika an. Dies wurde der Beschwerdeführerin durch Übergabe des Bescheides angekündigt. Nach der ersten Behandlung Mitte Oktober erlitt die Beschwerdeführerin mehrere Kreislaufschwächen, ist im Denken aber geordneter, deutlich ruhiger und im Kontakt adäquater.
Ende Oktober legte die Beschwerdeführerin selbst Widerspruch gegen die Zwangsbehandlung ein. Das Landgericht wies diesen Antrag im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Anhörung der Beschwerdeführerin und ohne Einschaltung ihres Pflichtverteidigers zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin führte zur Aufhebung des Beschlusses durch das OLG.
Der Beschluss leide an mehreren schwerwiegenden Verfahrensmängeln, begründete das OLG seine Entscheidung. Eine gegen den natürlichen Willen des Betroffenen vorgenommene Zwangsbehandlung stelle einen besonders schwerwiegenden Eingriff in seine Grundrechte dar. Dies gelte auch, wenn sie zum Zwecke der Heilung vorgenommen werde. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht bedinge u.a., dass hohe Anforderungen an den Erhalt des effektiven Rechtsschutzes des Betroffenen zu stellen seien.
Daraus folge hier, dass der bereits im Strafverfahren bestellte Pflichtverteidiger am Verfahren zur Zwangsmedikation hätte beteiligt werden müssen. Gegenstand der Zwangsmedikation sei gerade die Einwilligungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin gewesen. Damit hätten Zweifel bestanden, dass die Beschwerdeführerin ihre Rechte in diesem Verfahren sachgerecht selbst wahrnehmen kann.
Das Gericht hätte zudem auf eine bestmögliche Sachverhaltsaufklärung hinwirken müssen. Dazu hätte gehört, sich einen eigenen aktuellen persönlichen Eindruck durch Anhörung der Beschwerdeführerin zu verschaffen. Außerdem wäre die Einschaltung eines externen forensischen Sachverständigen erforderlich gewesen.
Der Senat hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an eine Zwangsbehandlung, die bereits im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung, vor Rechtskraft des Urteils der Strafkammer, erfolgen soll, besonders hoch anzusetzen seien. Zwar lasse das Hessische Maßregelvollzugsgesetz eine Zwangsbehandlung unter bestimmten Umständen bereits in der einstweiligen Unterbringung zu. Sie werde aber nur in Fällen in Betracht kommen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte von großem Gewicht dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßregelvollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre. Ein Hinweis auf eine drohende Chronifizierung der psychiatrischen Erkrankung reiche insoweit nicht aus.
Wegen der fehlenden Beteiligung eines Verteidigers und der unzureichenden Sachaufklärung hat das OLG den Beschluss aufgehoben und das Verfahren an die Strafkammer zur möglichst raschen Anhörung im Beisein eines forensischen Sachverständigen zurückverwiesen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.