Das Sozialgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 04.06.2020 zum Aktenzeichen S 6 AL 1636/20 entschieden, dass im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz bis auf Ausnahmefälle, in denen eine bis in die Gegenwart fortwirkende Notlage glaubhaft gemacht wird, keine Leistungen nach dem SGB II für die Vergangenheit zu gewähren sind.
Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:
Der Antragsteller begehrte am 29.04.2019, die Bundesagentur für Arbeit zu verpflichten, ihm 404,70 Euro an Leistungen auszuzahlen, die ihm für den Monat März nicht gewährt wurden. Wahlweise sei das beigeladene Jobcenter zur Leistung von 404,70 Euro an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat April zu verpflichten.
Das SG Stuttgart hat den Antrag insgesamt abgelehnt.
Nach Auffassung des Sozialgerichts konnte der Antrag, sofern der Antragsteller rückwirkend Leistungen für die Zeit vor Einreichen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 29.04.2020 begehrt, bereits deshalb keinen Erfolg haben, da Leistungen im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes regelmäßig nur ab Eingang des Antrags bei Gericht und nicht für die Vergangenheit gewährt werden. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorwegnehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG könne bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten werde und dem Antragsteller schwere, schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (Anschluss an: LSG Stuttgart, Beschl. v. 25.11.2005 – L 13 AS 4106/05 ER-B, v. 23.11.2015 – L 7 AS 4389/15 ER-B und v. 23.02.2017 – L 9 AS 309/17 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, herbeizuführen, sei, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (Anschluss an: LSG Stuttgart v. 24.08.2011 – L 13 AS 3195/11). Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass er in eine in die Gegenwart fortwirkende Notlage geraten sei und ihm unzumutbare Nachteile entstünden, wenn die Leistungen für die Vergangenheit nicht nachgeholt würden. Für die verbleibenden beiden Tage des April konnte der Antragsteller einen Anordnungsgrund ebenfalls nicht belegen. Die sich daraus ergebende negative Abweichung im Hinblick auf den gesamten zu bewilligenden/beantragten Betrag für April liege in einem Bereich von deutlich unter 20% und sei damit im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nicht zu berücksichtigen gewesen (Anschluss an: LSG Stuttgart, Beschl. v. 23.07.2008 – L 7 AS 3031/08 ER-B).