Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster hat am 15.12.2021 zum Aktenzeichen 6 A 739/18 entschieden, dass die landesgesetzliche Zuordnung der nordrhein-westfälischen Polizeipräsidenten zum Kreis politischer Beamter, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, verfassungswidrig ist. Weil es ein Parlamentsgesetz nicht selbst verwerfen darf, hat das Oberverwaltungsgericht heute dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 37 Abs. 1 Nr. 5 Landesbeamtengesetz NRW gegen das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Lebenszeitprinzip verstößt.
Aus der Pressemitteilung des OVG NRW vom 15.12.2021 ergibt sich:
Der Kläger war von 2011 bis Anfang 2016 Polizeipräsident in Köln. Er klagt gegen die am 12. Januar 2016 von der Landesregierung beschlossene Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Hintergrund waren die Vorfälle in der Silvesternacht 2015/2016 im Bereich des Kölner Doms und des Hauptbahnhofs, wo es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen und Raub-/Diebstahlsdelikten gekommen war. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren nun ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Zur Begründung des Vorlagebeschlusses hat die Vorsitzende des 6. Senats ausgeführt: Die Möglichkeit, den Polizeipräsidenten jederzeit in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, greift in das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Lebenszeitprinzip ein, wonach Beamte grundsätzlich auf Lebenszeit zu beschäftigen sind. Als politischer Beamter muss der Polizeipräsident jederzeit befürchten, in den einstweiligen Ruhestand versetzt zu werden, auch wenn er den Anforderungen seines Amtes in vollem Umfang gerecht wird. Dieser Eingriff in das Lebenszeitprinzip ist nicht gerechtfertigt. Denn der Polizeipräsident gehört nicht zum Kreis enger Berater der Regierung; ihm obliegt nicht die Umsetzung politischer Zielvorstellungen an der Nahtstelle von Politik und Verwaltung. Er ist vielmehr lediglich Leiter einer unteren und damit nachgeordneten Landesbehörde und nimmt im Wesentlichen administrativgesetzesvollziehende Aufgaben wahr. Der Eingriff in das Lebenszeitprinzip ist auch unvereinbar mit der besonderen rechtsstaatlichen Bedeutung der politischen Unabhängigkeit von Polizeibehördenleitern, die in den sensiblen Bereichen der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung ist.
Auf die Verfassungsmäßigkeit der landesgesetzlichen Regelung kommt es an, weil die Versetzung des Klägers in den einstweiligen Ruhestand im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die Landesregierung hat bei der Versetzung von politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand einen weiten Ermessensspielraum. Aufgrund des Einsatzgeschehens in der Silvesternacht 2015/2016 und des anschließenden Kommunikationsverhaltens des Polizeipräsidiums Köln war das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Kölner Polizei beschädigt. Wie das Land nachvollziehbar dargelegt hat, bestanden bei der Landesregierung Zweifel, dass mit dem Kläger als Polizeipräsidenten das verloren gegangene Vertrauen der Öffentlichkeit wiederhergestellt werden und die polizeiliche Bewältigung der seinerzeit kurzfristig anstehenden Großveranstaltungen mit der dazu erforderlichen Durchsetzungskraft und Akzeptanz gelingen könnte.
Der Beschluss ist unanfechtbar.