Einschlägige Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung

24. Februar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit Urteil vom 23.11.2021 zum Aktenzeichen 2 Sa 86/21 entschieden, dass tarifliche Vorschriften, welche für die Stufenzuordnung bei der Eingruppierung lediglich Vorbeschäftigungszeiten bei dem tarifschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt anerkennen, bei anderen Arbeitgebern erworbene Vorbeschäftigungszeiten jedoch lediglich im beschränkten Umfang, wirksam sind.

Die Parteien streiten insbesondere um die Stufenzuordnung bei der Eingruppierung.

Die Klägerin war seit 1985 in verschiedenen Krankenhäusern als Krankenschwester im Operationsdienst beschäftigt.

Seit dem 01.09.2007 ist sie als Operationsfachschwester bei der Beklagten tätig.

Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages unterliegt das Arbeitsverhältnis den jeweils für den Betrieb oder Betriebsteil des Arbeitgebers anzuwendenden Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung, solange der Arbeitgeber hieran gebunden ist.

Seit dem 01.01.2019 unterliegt das Arbeitsverhältnis dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr ab dem 01.10.2019 eine Vergütung nach EG KR 9 Stufe 6 TV-L zustehe.

Die Beklagte habe bereits bei ihrer Einstellung von ihr bei anderen Arbeitgebern absolvierte Beschäftigungszeiten berücksichtigen und sie daher bereits bei ihrer Einstellung der Stufe 5 zuordnen müssen.

Das ArbG hat die Klage abgewiesen.

Auch die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Klägerin steht ab dem 01.10.2019 keine Vergütung nach der Entgeltgruppe KR 9 Stufe 6 TV-L zu.

Die Stufenzuordnung bei Einstellung der Klägerin richtete sich kraft einzelvertraglicher Bezugnahme nach § 16 TV-UKN bzw. § 16 TV-UMN.

Eine Zuordnung der Klägerin zur Stufe 5 folgt hieraus nicht.

Gleichlautend wie in § 16 TV-L heißt es hier in Abs. 2:

„Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oderunbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise – bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren – in die Stufe 3.“

Demnach ist die Klägerin bei Einstellung zutreffend in die Stufe 3 eingruppiert worden.

Tarifliche Vorschriften, welche für die Stufenzuordnung bei der Eingruppierung lediglich Vorbeschäftigungszeiten bei dem tarifschließenden Arbeitgeber uneingeschränkt anerkennen, bei anderen Arbeitgebern erworbene Vorbeschäftigungszeiten jedoch lediglich im beschränkten Umfang, sind wirksam.

Den Tarifvertragsparteien ist es grundsätzlich freigestellt zu bestimmen, welche Zeiten welcher Tätigkeiten sie tariflich in welcher Form berücksichtigen wollen.

Sie sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden.

Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass die in § 16 Abs. 2Satz 2 TV-L vorgesehene, nur begrenzte Anrechnung der in einem anderen Mitgliedsstaat als dem Herkunftsmitgliedsstaaterworbenen einschlägigen Berufserfahrungen eines Wanderarbeitnehmers die Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt.

Auf die Unanwendbarkeit der Begrenzung der Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrungszeiten in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L können sich Arbeitnehmer, die ausschließlich über einschlägige Berufserfahrungszeiten aus einem vorherigen Arbeitsverhältnis zu einem anderen inländischen Arbeitgeber verfügen, jedoch nicht berufen.

Ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Artikel 45 Abs. 1 AEUV) scheidet für diesen Personenkreis mangels Unionsbezug aus.

Artikel 45 AEUV erfasst keine reinen internen, auf einen Mitgliedsstaat beschränkten Sachverhalte.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit kann deshalb nicht auf die Situation von Personen angewandt werden, die von dieser Freiheit nie Gebrauch gemacht haben.

Die reinhypothetische Aussicht, das Recht auf Freizügigkeit auszuüben, stellt keinen Bezug zum Unionsrecht her, der eng genug wäre, um die Unionsbestimmungen anzuwenden.

Sämtliche Elemente der Tätigkeit weisen in diesem Fall nicht über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinaus.

Auch die Unionsbürgerschaft bezweckt nicht, den sachlichen Anwendungsbereich der Verträge auf interne Sachverhalte auszudehnen, die keinerlei Bezug zum Unionsrecht aufweisen.

Dem Unionsrecht lässt sich auch kein Verbot einer „umgekehrten Diskriminierung“ (so genannte Inländerdiskriminierung) entnehmen.

Es liegt weder ein Verstoß gegen Unionsrecht noch gegen Artikel 3 GG vor.

Das LAG Mecklenburg-Vorpommernschließt sich insoweit der Rechtsprechung des BAG an.