Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 02.02.2022 zum Aktenzeichen 10 Sa 66/21 entschieden, dass das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegenüber der Verfassung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L abzuverlangenden Loyalität richtet sich nach der Stellung und der Übertragung des arbeitsvertraglichen Aufgabenkreises.
Der Beschäftigte hat lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität einzuhalten, das unverzichtbar für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit ist.
Auch gegenüber Arbeitnehmern, die lediglich eine „einfache“ politische Treuepflicht einzuhalten haben, ist ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit zu fordern, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen.
Gleiches gilt für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich.
Sofern ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider handelt, kann dieses Verhalten einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung darstellen.
Voraussetzung hierfür ist, dass durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.
Die Gleichstellung des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes vom 18. November 2020 mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ in Form des sog. „Ermächtigungsgesetzes“ vom 24. März 1933 sowie die nachfolgende Aufzählung „Zwangsimpfung, Wegnehmen der Kinder, Schutzlos in der eigenen Wohnung, Geschlossene Grenzen, Arbeitsverbot, Gefängnis“ stellt nach einer
vorzunehmenden Auslegung ein Verächtlichmachen der gesetzgebenden Organe dar.
Veröffentlicht eine Polizeiärztin in einer Sonntagszeitung eine Anzeige mit diesem Inhalt, liegt ein derart schwerwiegender Verstoß gegen ihre einfache politische Treuepflicht nach § 3 Abs. 1 S. 2 TV-L vor, dass eine ordentliche Kündigung auch ohne vorausgegangene Abmahnung gerechtfertigt ist.