Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09. März 2022 zum Aktenzeichen 2 BvR 431/22 entschieden, dass ein Eilantrag bei einem Berufsverbot bei kurzer Dauer ohne Abschluss des fachgerichtlichen Verfahrens unzulässig ist, bei zunehmender Dauer ohne Abschluss des fachgerichtlichen Verfahrens kann sich dies aber ändern.
Der Antragsteller hat in Bezug auf das ihm gegenüber angeordnete vorläufige Berufsverbot nach § 132a Abs. 1 StPO den Rechtsweg noch nicht erschöpft, da er weder die Abhilfe- beziehungsweise Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts (vgl. § 306 Abs. 2 StPO) noch die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts (vgl. § 309 StPO) noch eine Entscheidung über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des vorläufigen Berufsverbots (§ 307 Abs. 2 StPO) abgewartet hat. Für eine ordnungsgemäße Rechtswegerschöpfung sind grundsätzlich auch im Verfahren des verfassungsrechtlichen Eilrechtsschutzes die Entscheidungen der Fachgerichte über den eingelegten Rechtsbehelf abzuwarten. Denn § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zielt darauf ab, eine ordnungsgemäße Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen gerichtlichen Instanzen zu gewährleisten und dadurch das Bundesverfassungsgericht zu entlasten. Der fachgerichtliche Rechtsschutz bietet dem Antragsteller auch eine weitergehende Rechtsschutzmöglichkeit als das verfassungsgerichtliche Verfahren, da das Beschwerdegericht eine umfassende Rechtsprüfung vornimmt und nach § 308 Abs. 2 StPO zur Amtsaufklärung verpflichtet ist.
Im vorliegenden Fall ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor der (Nicht-)Abhilfeentscheidung und vor der Beschwerdeentscheidung beziehungsweise vor der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung derzeit noch nicht deshalb geboten, weil das Abwarten der fachgerichtlichen Entscheidungen unzumutbar im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG wäre.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG und auch bei der Frage, ob dem Antragsteller ein Zuwarten bis zu einer fachgerichtlichen Entscheidung unzumutbar ist, weil ihm ein schwerer oder unabwendbarer Nachteil droht (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), ist ein strenger Maßstab zugrunde zu legen. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht ist – anders als der vorläufige Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren – nicht darauf angelegt, möglichst lückenlos vorläufigen Rechtsschutz zu bieten. Erst recht ist das Verfahren nach § 32 Abs. 1 BVerfGG nicht darauf angelegt, das fachgerichtliche Verfahren vorwegzunehmen.
Nach diesen Maßstäben ist eine Unzumutbarkeit des Zuwartens derzeit noch nicht gegeben. Das Amtsgericht Karlsruhe sowie – im Falle der Nichtabhilfe – das Landgericht sind gehalten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zu einem möglichst raschen und sachgerechten Abschluss des Verfahrens führen. Dies hat der Antragsteller grundsätzlich abzuwarten.
Mit zunehmender Dauer, mit der der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und die Beschwerde beim Amtsgericht und gegebenenfalls später beim Landgericht anhängig sind, kann ein Abwarten der fachgerichtlichen Entscheidungen jedoch unzumutbar werden. Das gegen den Antragsteller verhängte vorläufige Berufsverbot nach § 132a StPO zwingt ihn zur zumindest vorübergehenden Einstellung seiner Berufstätigkeit und begründet damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit der Berufswahl, die Art. 12 Abs. 1 GG schützt. Ein vorläufiges Berufsverbot hat einerseits während seiner Dauer ähnlich folgenschwere und irreparable Wirkungen für die berufliche Existenz des Betroffenen wie das endgültige Berufsverbot, während andererseits diese Maßnahme bereits aufgrund einer summarischen Prüfung ohne erschöpfende Aufklärung der Pflichtwidrigkeit vor Rechtskraft der Verurteilung ergeht. In Hinblick darauf ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz eine Entscheidung der Fachgerichte in angemessener Zeit gebietet und dass fachgerichtlicher Rechtsschutz in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat.
Nach der Sollvorschrift des § 306 Abs. 2 StPO entscheidet das Amtsgericht über die Abhilfe beziehungsweise Nichtabhilfe grundsätzlich binnen drei Tagen. Die Rechtsbehelfe des Antragstellers sind bereits seit über zwei Wochen beim Amtsgericht anhängig. Allein das vom Antragsteller angebrachte Ablehnungsgesuch gegen den zuständigen Richter beim Amtsgericht ist nicht geeignet, weitere Verzögerungen zu rechtfertigen. Auch wenn sich der zuständige Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nach § 29 Abs. 1 StPO an einer Entscheidung über die Abhilfe beziehungsweise Nichtabhilfe sowie über die beantragte Aussetzung der Vollziehung gehindert sehen sollte, weil er diese nicht als unaufschiebbare Handlungen erachtet, bleibt es Sache des Amtsgerichts, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer möglichst raschen und sachgerechten Behandlung der Rechtsbehelfe des Antragstellers in den nächsten Tagen führen.