Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 01. Juli 2021 zum Aktenzeichen 2 BvR 627/21 entschieden, dass es verfassungswidrig ist, einen Eilantrag einer betroffenen Asylsuchenden zu versagen.
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Ziel, die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt, im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung auf Grundlage des Bescheids vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht durchzuführen sei, bereits nicht statthaft sei. Denn der Bescheid sei bereits bestandskräftig. Darüber hinaus sei der Antrag jedenfalls auch unbegründet. Denn es existiere keine Rechtsgrundlage, aus der sich ein Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf Einschreiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde ergeben könne.
Die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Statthaftigkeit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO ist nicht nachvollziehbar. Denn es setzt sich nicht damit auseinander, dass bei dem vorliegenden Hauptsacheverfahren, bei dem es um das Wiederaufgreifen des Verfahrens in Bezug auf die Feststellung von Abschiebungsverboten geht, nach ganz herrschender Ansicht in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zur Sicherung des geltend gemachten Wiederaufgreifensanspruchs statthaft ist. Soweit es darauf verweist, dass es mangels Rechtsgrundlage im AsylG keinen Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf Einschreiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Ausländerbehörde gebe, verkennt das Verwaltungsgericht, dass es im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 938 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts liegt, welche Anordnungen zur Erreichung des mit dem Antrag verfolgten Zwecks erforderlich sind. Darüber hinaus entspricht der Tenor der von der Beschwerdeführerin begehrten Sicherungsanordnung dem, was in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen als statthaftes Rechtsschutzziel eines entsprechenden Antrags angesehen wurde.
Die Ablehnung des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO als unstatthaft beziehungsweise unbegründet durch das Verwaltungsgericht ohne Auseinandersetzung mit der bestehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verkürzt den Anspruch der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz auf unzumutbare Art und Weise. Denn als Folge dieser Argumentation erscheint eine Sachprüfung ihres Begehrens vor Durchführung ihrer Abschiebung nicht gesichert, nachdem das Verwaltungsgericht – im Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – auch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht für statthaft hielt. Auch wenn noch kein Termin für die Abschiebung der vollziehbar ausreisepflichtigen Beschwerdeführerin nach Italien angesetzt ist, ist nicht mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren vor einer solchen abgeschlossen sein wird; eine Sicherung des Aufenthalts kann zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes schon im Hinblick auf § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG erforderlich sein, wonach dem Betroffenen nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise der Termin der Abschiebung nicht angekündigt werden darf.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts beruht auch auf dieser Rechtsverletzung. Denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Verwaltungsgericht bei Annahme der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO und der Beachtung des Verweises in § 123 Abs. 3 VwGO auf § 938 Abs. 1 ZPO zur Begründetheit des Antrags gekommen wäre. Insbesondere erscheint es angesichts des von der Beschwerdeführerin in der Begründung der Anträge nach § 123 Abs. 1, § 80 Abs. 5 VwGO zitierten Beschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Januar 2021 nicht ausgeschlossen, dass ein Anordnungsanspruch besteht.