Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 09.11.2023 zum Aktenzeichen 1 B 186/23 MD entschieden, dass ein Eilantrag gegen ein Versammlungsverbot erfolgreich ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Magdeburg Nr. 13/2023 vom 09.11.2023 ergibt sich:
Die Polizeiinspektion Magdeburg hat in ihrer Funktion als Versammlungsbehörde eine für den morgigen Freitag angemeldete Versammlung unter dem Thema „Forderung nach einer humanitären Waffenruhe für Gaza – stoppt den Krieg in Nahost!“ verboten. Zur Begründung stellte die Versammlungsbehörde darauf ab, dass im Fall der Durchführung der Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben sei. Die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung wurde angeordnet. Hiergegen wandte der Antragsteller sich im Wege eines Antrages auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz. Er macht geltend, dass Kritik am Vorgehen Israels als Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit zulässig sei. Die ganz überwiegende Mehrzahl von inzwischen mehreren hundert als „pro-palästinensisch“ eingestuften Versammlungen sei friedlich abgelaufen; die Verbotsverfügung lege nicht dar, dass einzig ein vollständiges Verbot in Betracht komme.
Der Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz hatte Erfolg. In ihrem Beschluss führte die Kammer im Wesentlichen aus, die im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung gehe zugunsten des Antragstellers aus, da das verfügte Versammlungsverbot sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweise. Die Versammlungsbehörde könne zwar die Versammlung verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet sei. Eine Untersagung einer Versammlung kommt aber nur in Betracht, wenn eine unmittelbare, aus erkennbaren Umständen herleitbare Gefahr für mit der Versammlungsfreiheit gleichwertige, elementare Rechtsgüter vorliege. Die Prognose der Antragsgegnerin, wonach bei Durchführung der angemeldeten Versammlung eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben sei, begegne aber durchgreifenden rechtlichen Bedenken. So bestehe kein Erfahrungssatz, wonach bei pro-palästinensischen oder anti-israelischen Versammlungen stets damit zu rechnen sei, dass Meinungskundgaben mit Äußerungen, Ausrufen und Kundgebungsmitteln Straftatbestände erfüllten. Vielmehr sei der Einzelfall in den Blick zu nehmen und gefahrerhöhende bzw. gefahrverringernde Umstände zu ermitteln. Dem werde die Verbotsverfügung nicht gerecht. Sachliche Kritik auch am Handeln von Vertretern des Staates Israel sei von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt, solange die Kritik sich in dem nach der Rechtsordnung eröffneten Rahmen halte. Allein der Umstand, dass in der Versammlungsanmeldung des Antragstellers eine kritische Einstellung gegenüber der Kriegsführung durch Israel geäußert werde, führe somit nicht zu der Annahme, es würden strafrechtlich relevante Äußerungen erfolgen. Daneben beruhe die Prognose der Versammlungsbehörde nicht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Es sei nicht dargetan, dass es dem Antragsteller auch unter Einsatz mehrerer Ordner nicht möglich sein würde, die von ihm selbst mit seiner Anmeldung getätigte Zusage, es seien u. a. Fahnen der Hamas, des islamischen Dschihad oder der Hisbollah nicht zugelassen, einzuhalten. Auch der von der Versammlungsbehörde herangezogene Vergleich zu einer Versammlung am 27. Oktober 2023 trage die Prognose nicht. So habe die Versammlungsbehörde nicht berücksichtigt, dass sich die Themen der Versammlung und die Versammlungsleitung unterschieden. Die konkreten Umstände der Versammlung am 27. Oktober 2023 hätten keinen Eingang in die Prognoseentscheidung gefunden. Daneben habe die Versammlungsbehörde nicht hinreichend dargelegt, dass Auflagen, mit denen etwa die Verwendung bestimmter Fahnen und Zeichen sowie bestimmte Ausrufe und Lieder verboten werden könnten, nicht als mildere Mittel ausreichen würden.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.