Das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen hat mit Beschluss vom 31.05.2021 zum Aktenzeichen 1 B 150/21 entschieden, dass die Antragstellerinnen – die Betreibergesellschaft einer Prostitutionsstätte in der Bremer Neustadt sowie eine ihrer Gesellschafterinnen – mit ihrem Eilantrag auf Unterlassung der Äußerung des Innensenators, dass die Prostitutionsstätte nicht von ihnen, sondern tatsächlich von den „Hells Angels“, insbesondere von dem Präsidenten des HAMC Key Area P. betrieben werde, keinen Erfolg hat.
Aus Pressemitteilung des OVG Bremen vom 01.06.2021 ergibt sich:
Nicht gefolgt ist das Oberverwaltungsgericht allerdings der vom Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 25.03.2021 vorgenommenen Einordnung der streitigen Äußerung als dem Beweis zugängliche und voraussichtlich wahre Tatsachenbehauptung. Vielmehr hat es in der Äußerung lediglich ein Werturteil, also eine Meinungsäußerung des Innensenators, gesehen. Die Aussage, dass die der Betreibergesellschaft genehmigte Prostitutionsstätte letztlich von den Hells Angels betrieben werde, könne nur im Wege juristischer Subsumtion gewonnen werden. Es handele sich folglich um eine Rechtsmeinung.
Das Oberverwaltungsgericht hat sodann dargelegt, dass die streitgegenständliche Meinungsäußerung den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Einhaltung des Sachlichkeitsgebots genüge. Staatliche Stellen dürften im Rahmen des politischen Meinungsbildungsprozesses auch Werturteile äußern, wenn diese auf einem im Wesentlichen zutreffenden und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhten.
Davon sei hier auszugehen. Bereits das Verwaltungsgericht habe ausgeführt, dass sich der Innensenator auf eine Stellungnahme der Polizei gestützt habe, in der verschiedene Vorkommnisse zusammengefasst worden seien, bei denen nicht die Geschäftsführerinnen der Betreibergesellschaft, sondern stets P. gegenüber der Polizei und anderen Behörden als Verantwortlicher aufgetreten sei. Diese Vorkommnisse seien von den Antragstellerinnen mit der Beschwerde nicht substantiiert in Abrede gestellt worden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren habe die Antragsgegnerin zudem einen umfassenden Abschlussbericht vorgelegt, in dem auf 70 Seiten Erkenntnisse zu den beteiligten Personen und Objekten sowie detaillierte Ermittlungsergebnisse der Polizei zusammengetragen worden seien.
Diese Ermittlungsberichte stellten eine hinreichende Tatsachengrundlage für die angegriffenen Äußerungen des Innensenators dar. Es erscheine zumindest vertretbar, die von der Polizei zusammengetragenen Indizien in der Weise zu würdigen, dass nach den Gesamtumständen von einem maßgeblichen Einfluss des P. auf die Geschäftsführung der Betreibergesellschaft auszugehen sei. Ob sich diese gewerberechtliche Bewertung im Ergebnis auch nach Durchführung einer gerichtlichen Beweisaufnahme ergeben würde, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Äußerungen nicht von Belang.
Die Äußerung des Innensenators sei auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Sie sei insbesondere geeignet gewesen, die Öffentlichkeit über den Diskussionsstand in der Innendeputation und die Auffassung des Innensenators zu der Frage der Erlaubniserteilung für eine Prostitutionsstätte in der Bürgermeister-Smidt-Straße zu informieren. Die Äußerung sei auch in Anbetracht des damit verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerinnen angemessen. Vorliegend bestehe ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, weil es sich um Vorgänge gehandelt habe, die bereits zum Zeitpunkt der Äußerung Gegenstand eines eingehenden politischen Diskurses in der Gesellschaft, den Medien und den politischen Entscheidungsgremien über den Umgang mit Prostitution und organisierter Kriminalität gewesen seien.