ehemaligen Programmdirektorin Claudia Nothelle erhält weiterhin das vertraglich zugesagte „Ruhegeld“ in Höhe von 8.437 € monatlich

27. April 2025 -

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. April 2025 stellt klar, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seiner ehemaligen Programmdirektorin Claudia Nothelle weiterhin das vertraglich zugesagte „Ruhegeld“ in Höhe von 8.437 € monatlich zu zahlen hat. Das Gericht wies die Rückforderungsklage des Senders vollumfänglich ab und verpflichtete den RBB zugleich, die im Dezember 2023 ausgesetzt gewesenen Zahlungen rückwirkend ab Dezember 2023 wieder aufzunehmen. Dabei bezifferte das Gericht den Streitwert auf insgesamt 503.690 €. Nothelle, die seit 2017 als Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal lehrt, hatte nach Auslaufen ihres Direktorenvertrags zusätzlich zu einer Abfindung bis zur gesetzlich vorgesehenen Altersrente das Ruhegeld beansprucht.

1. Sachverhalt

1.1 Vertragliche Grundlage

Claudia Nothelle war von 2009 bis Ende 2016 Programmdirektorin beim RBB und schloss einen auf fünf Jahre befristeten Direktorenvertrag ab, der nach Vertragsende ein Ruhegeld bis zum Renteneintritt vorsah. Nach Ablauf des Vertrages im Jahr 2019 bezog sie neben einer Abfindung monatlich 8.437 € Ruhegeld, wie im Vertrag vereinbart. Eine Regelung dieser Art entspricht der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Ausgestaltung betrieblicher Versorgungsansprüche und findet sich bspw. in zahlreichen Tarifverträgen und Direktorenvereinbarungen.

1.2 Einstellung der Zahlungen und Klage

Nach den im August 2022 öffentlich gewordenen Vorwürfen von Vetternwirtschaft gegen die damalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger und deren Rücktritt stellte die neue Senderführung im Dezember 2023 die Ruhegeldzahlungen ein und forderte bereits geleistete Beträge für die Jahre 2020 bis 2023 in Höhe von rund 400.000 € zurück. Eine außergerichtliche Einigung scheiterte, sodass Nothelle Klage beim Arbeitsgericht Berlin erhob und um Feststellung ihrer fortbestehenden Anspruchsberechtigung auf Zahlung bis zum Regelrenteneintritt ersuchte.

2. Rechtliche Würdigung

2.1 Vertragsbindung und Grundsatz der Privatautonomie

Verträge sind grundsätzlich bindend und genießen im Rahmen der Privatautonomie hohe Verlässlichkeit – auch öffentlich-rechtliche Arbeitgeber können sich nicht einseitig von vereinbarten Verpflichtungen lösen, sofern keine gesetzlichen Schranken bestehen. Die Direktorenvereinbarung mit Nothelle enthält eine klare vertragliche Leistungspflicht des RBB, deren Wirksamkeit das Arbeitsgericht nicht in Zweifel zog.

2.2 Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB

Obwohl arbeitsvertragliche Ruhegeldregelungen wegen ihrer Höhe und Laufzeit regelmäßig geprüft werden, verneinte das Gericht eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB. Entgegen Fällen, in denen das ArbG Berlin die Ruhegeldabrede aufgrund groben Missverhältnisses für nichtig erklärte, sah es hier kein derartiges Ungleichgewicht. Vergleichbare Entscheidungen, etwa zur Juristischen Direktorin oder zum Verwaltungsdirektor, führten zwar zu abweichenden Ergebnissen, beruhten aber jeweils auf besonderen Umstände des Einzelfalls.

2.3 Anrechnung von Nebeneinkünften

Das Gericht stellte zudem klar, dass eventuelle Nebeneinkünfte aus der Hochschultätigkeit Nothelles nicht auf das Ruhegeld anzurechnen sind, da eine entsprechende vertragliche Anrechnungsregelung fehlt. Nach aktueller Rechtsprechung bedarf die Anrechnung von Erwerbseinkommen auf eine Betriebsrente einer ausdrücklichen Bestimmung in den Versorgungsregelungen.

3. Vergleichbare Rechtsprechung

  • BAG 3 AZR 549/16: Hier konkretisierte das Bundesarbeitsgericht die Staffelung von Ruhegeld nach Dienstjahren und erkannte die Bindungswirkung entsprechender Abreden.

  • ArbG Wuppertal, 2 Ca 1321/23: Bestätigung eines Anspruchs auf rückständiges Ruhegeld und Feststellung künftiger Zahlungsansprüche mangels Anrechnungsregelung.

  • LAG Düsseldorf, 6 Sa 1198/23: Klarstellung, dass Erwerbseinkommen nur bei ausdrücklicher vertraglicher Grundlage anzurechnen ist.

4. Auswirkungen für den RBB und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Die Entscheidung führt den RBB zu einer finanziellen Mehrbelastung von mindestens 8.437 € monatlich bis zum Renteneintritt Nothelles und zusätzlich einer Nachzahlung für die entgangenen Monate seit Dezember 2023. Zugleich unterstreicht das Urteil die Bindungswirkung von Vorstandsbeschlüssen und Direktorenverträgen bei öffentlich-rechtlichen Anstalten, was künftige Versorgungsvereinbarungen transparenter und sorgfältiger gestalten lassen dürfte.

5. Ausblick und Praxishinweise

  • Prüfung bestehender Versorgungsregelungen: Öffentlich-rechtliche Arbeitgeber sollten ihre Ruhegeldklauseln hinsichtlich Sittenwidrigkeit und Anrechnungsmodalitäten überprüfen.

  • Klare Anrechnungsbestimmungen: Zur Vermeidung von Rückforderungsrisiken empfiehlt sich die Aufnahme ausdrücklicher Regelungen zur Anrechnung von Nebeneinkünften.

  • Vertragscontrolling: Eine systematische Vertragsdokumentation und regelmäßige Legal-Reviews stärken die Rechtssicherheit künftiger Vereinbarungen.

Die Entscheidung des ArbG Berlin im Fall Nothelle stärkt damit nicht nur individuelle Ansprüche ehemaliger Führungskräfte, sondern setzt auch Maßstäbe für die Gestaltung betrieblicher Versorgungszusagen im öffentlich-rechtlichen Bereich.