Durchsuchung der Diensträume des Justizministeriums war unzulässig

10. Februar 2022 -

Das Landgericht Osnabrück hat am 09.02.2022 zum Aktenzeichen 12 Qs 32/21 entschieden, dass eine vom Amtsgericht Osnabrück am 25.08.2021 angeordnete Durchsuchung der Diensträume des damaligen Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz in Berlin und der dort geführten Papierarchive sowie elektronischen Archive unzulässig war, da die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung nicht vorlagen.

Aus der Pressemitteilung des LG Osnabrück vom 10.02.2022 ergibt sich:

Der Durchsuchung ist folgender Sachverhalt vorausgegangen:

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück führt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt gemäß § 258a StPO. Anlass war eine Meldung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen/Financial Intelligence Unit (FIU) vom 22. Januar 2020 an das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen, mit der zwei kurz zuvor bei der FIU eingegangene Geldwäscheverdachtsanzeigen eines Kreditinstitutes nach § 43 GwG weitergeleitet wurden. Bei einem Konto ihrer Kundin sollen ungewöhnliche Zahlungsvorgänge aufgefallen sein, die auf Betrugstaten hinweisen würden. Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt, dass bei der FIU bereits zuvor weitere Verdachtsanzeigen eingegangen, jedoch nicht an die Ermittlungsbehörden weitergeleitet worden waren.

Bereits am 14. Juli 2020 durchsuchte die Staatsanwaltschaft Osnabrück in diesem Zusammenhang die der FIU zugeordneten Räumlichkeiten der Generalzolldirektion. Sichergestellt und beschlagnahmt wurde hierbei unter anderem ein Schreiben des BMJV an das Bundesministerium für Finanzen (BMF) vom 15. Mai 2020 mit dem Betreff „Zusammenarbeit der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) mit den Strafverfolgungsbehörden“. Ferner wurden E-Mailpostfächer von vier Führungskräften der FIU gesichert und unveränderlich gespeichert.

Ende Juli 2021 erfragte die sachbearbeitende Staatsanwältin telefonisch die Herausgabe des Schreibens vom 15. Mai 2020 bei dem zuständigen Referatsleiter des BMJV, welcher eine Übermittlung allein aufgrund telefonischer Anfrage jedoch ablehnte.

Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Diensträume sowie der dort geführten Archive des BMF sowie des BMJV in Berlin. Das Amtsgericht Osnabrück ordnete diese mit Beschlüssen vom 10. August 2021 (BMF) sowie vom 25. August 2021 (BMJV) an. Die Durchsuchung sollte der Identitätsfeststellung von Mitarbeitenden der FIU sowie der Aufklärung der Motivationslage für das Absehen von der Übermittlung von Verdachtsmeldungen an die Ermittlungsbehörden dienen.

Gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 25. August 2021 ist unter dem 27. September 2021 Beschwerde erhoben worden. Das Amtsgericht Osnabrück hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren zur Entscheidung dem Landgericht Osnabrück vorgelegt.

Das Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom 09. Februar 2022 den Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 25. August 2021 aufgehoben.

Die Durchsuchung behördlicher Räume sei, so die 12. Große Strafkammer des Landgerichts, auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die betreffende Behörde zuvor vergeblich durch ein mit Gründen versehenes Herausgabeverlangen unter genauer Bezeichnung des verlangten Schriftguts zur Herausgabe aufgefordert worden sei. Ein schriftliches Herausgabeverlangen ist nach dem Inhalt der Entscheidung nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Ablehnung sicher zu erwarten, eine Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten oder eine besondere Dringlichkeit anzunehmen wäre.

Diese Voraussetzungen sah die 12. Große Strafkammer als nicht erfüllt an. Schriftlich habe die Staatsanwaltschaft keine Beweismittel angefordert und aus der telefonischen Weigerung eines Referatsleiters gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin habe nicht gefolgert werden dürfen, dass die Behörde generell nicht zur Herausgabe der gegenüber dem Amtsgericht Osnabrück erstmals benannten Beweismittel bereit gewesen sei. Ferner sei weder die Vernichtung von Beweismitteln zu befürchten gewesen noch habe eine besondere Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit bestanden. Die Gefahr des Verlustes von Beweismaterial habe insbesondere nicht mit Blick auf die bevorstehende Bundestageswahl bestanden. Unter Berücksichtigung der bestehenden Vorschriften der Aktenordnung sei es eher unwahrscheinlich, dass als Beweismittel in Betracht kommende Schriftstücke im Zuge eines etwaigen Regierungswechsels verloren gingen.

Im Übrigen sei die Anordnung der Durchsuchung auch unverhältnismäßig. Da das telefonisch angeforderte Schriftstück der Staatsanwaltschaft bereits vorgelegen habe, sei die Durchsuchung bereits nicht erforderlich gewesen. Auch die sonst erstrebten Beweismittel hätten sich bereits seit der Durchsuchung bei der FIU am 14.Juli 2020 bei den Ermittlungsakten befunden, weil sie Bestandteil der von der FIU an die Zentrale Kriminalinspektion Osnabrück übergebenen Akten waren. Darüber hinaus sei eine Durchsuchung auch nicht angemessen gewesen. Die Stärke des Verdachts einer Strafvereitelung im Amt sei als gering einzustufen und ein angemessenes Verhältnis zu den Auswirkungen der Durchsuchung und Beschlagnahme nicht mehr gegeben. Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten innerhalb des BMJV hätten nicht bestanden und ein Bezug des Ministeriums oder seiner Mitarbeiter zu potentiellen Straftaten innerhalb der FIU hätte nicht hergestellt werden können. Werde ungeachtet dessen gleichwohl eine Durchsuchung angeordnet und das BMJV dem Verdacht ausgesetzt, sich nicht rechtstreu zu verhalten, sei dies geeignet, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen einen nicht unbeachtlichen Schaden zuzufügen.