Das Verwaltungsgericht Freiburg (Breisgau) hat mit Urteil vom 08.12.2020 zum Aktenzeichen 3 K 5482/18 entschieden, dass die der Stadt Tuttlingen erteilte Erlaubnis zum Aufstau der Donau, die eine schrittweise Absenkung der Stauhöhe beinhaltet, rechtmäßig ist.
Aus der Pressemitteilung des VG Freiburg vom 09.03.2021 ergibt sich:
Die langjährige wasserrechtliche Erlaubnis zum Aufstau der Donau durch das sog. Scalawehr in Tuttlingen war im Jahr 2012 ausgelaufen. Nach zwei befristeten Erlaubnissen zur Durchführung verschiedener Untersuchungen bei unterschiedlichen Stauhöhen beantragte die Stadt Tuttlingen im Oktober 2017 die Erlaubnis zum Aufstau auf das frühere Niveau für die Monate April bis Oktober bei lediglich kurzzeitiger Absenkung im Sommer, um die durch den Stau entstehende ausgedehnte Wasserfläche mit vielschichtiger Bedeutung für die Stadt in seiner angestammten Form zu erhalten. Das Landratsamt Tuttlingen erteilte im September 2018 die bis zum Jahr 2043 befristete wasserrechtliche Erlaubnis, setzte dabei jedoch abweichende Stauhöhen fest, indem sie eine stufenweise Verringerung der beantragten Stauhöhe um insgesamt einen Meter vorschrieb.
Den hiergegen gerichteten Eilantrag der Stadt Tuttlingen hatte das Verwaltungsgericht Freiburg bereits im März 2019 abgelehnt, was der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Dezember 2019 bestätigte.
Nunmehr hat das Verwaltungsgericht Freiburg nach Anhörung zweier Gutachter in der mündlichen Verhandlung mit einem ausführlichen, 65 Seiten umfassenden Urteil auch die Klage der Stadt Tuttlingen auf Erlaubnis des Aufstaus bis zur früheren Höhe abgewiesen.
Zur Begründung führt das Gericht im Wesentlichen aus, die Erlaubnis für das Aufstauen eines Flusses sei nach den Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes zu versagen, wenn schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten seien. Dabei sei insbesondere das in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie normierte sog. Verbesserungsgebot bindend, nach dem ein guter ökologischer und chemischer Zustand oberirdischer Gewässer entweder zu erhalten oder zu erreichen sei.
Das Landratsamt habe zu Recht den Bewirtschaftungsplan Donau des Landes zugrunde gelegt, der neben der Dokumentation des Gewässerzustands umfassende Analysen sowie ein Maßnahmenprogramm zur Verwirklichung des Verbesserungsgebots enthalte. Wegen des Vorrangs der wasserwirtschaftlichen Planung müssten sich die Genehmigungsbehörden nach eben diesem Maßnahmenprogramm richten, sofern das Programm – wie vorliegend – ein kohärentes Gesamtkonzept aufweise. Der Bewirtschaftungsplan stelle für den Teilbereich der Donau, in dem sich das Scalawehr befindet (Wasserkörper WK 6-01), einen „mäßigen“ Zustand fest und sehe unter anderem vor, dass die Durchgängigkeit insbesondere für Fische und die Struktur des Gewässers zu verbessern, ausreichende Mindestabflüsse zu gewährleisten und Rückstaue zu verringern seien. Der WK 6-01 gehöre nach dem Maßnahmenprogramm folglich zu den sog. Programmstrecken Durchgängigkeit, Mindestwasser, Gewässerstruktur. Dieser Planung stehe der Aufstau der Donau auf die beantragte Höhe unmittelbar entgegen.
Auch die Feststellungen des im behördlichen Verfahren eingebundenen und in der mündlichen Verhandlung angehörten Gutachters mit langjähriger Erfahrung im Hinblick auf den Zustand des maßgeblichen Donau-Teilbereichs bestätigten, dass das Ziel der Herstellung eines guten ökologischen Gewässerzustands im Falle des von der Stadt Tuttlingen beantragten „Vollaufstaus“ gefährdet wäre. Denn nach den schlüssigen und fundierten Ausführungen des Gutachters werde die Durchgängigkeit des Gewässers insbesondere durch den mit der beantragten Stauhöhe einhergehenden 2,8 km langen Staubereich beeinträchtigt, der sich bei der vom Landratsamt vorgesehenen Stauhöhe auf 1,3 km verkürze.
Die Ausnahmevorschrift im Wasserhaushaltsgesetz, nach der Vorhaben unter bestimmten Voraussetzungen trotz einer zu erwartenden Gefährdung des Bewirtschaftungsziels zulässig sein können, greife nicht ein. Die Stadt habe hierzu weder ein übergeordnetes öffentliches Interesse noch einen überwiegenden Nutzen für die Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder die nachhaltige Entwicklung nachgewiesen. Es seien auch keine ergänzenden Regelungen ersichtlich, mit denen die von der Stauanlage bei der beantragten Stauhöhe ausgehenden schädlichen Gewässerveränderungen vermieden oder ausgeglichen werden könnten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Stadt Tuttlingen kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stellen.