Das Landgericht Frankfurt hat am 21.10.2020 zu den Aktenzeichen 2-04 O 425/19, 2-04 O 449/19, 2-04 O 455/19 und 2-04 O 123/20 in vier Verfahren entschieden, dass Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Diesel-PKW keinen Schadensersatz von der Bundesrepublik Deutschland verlangen können.
Aus der Pressemitteilung des LG Frankfurt vom 23.11.2020 ergibt sich:
Deutschland habe europäisches Recht nicht unzureichend in nationales Recht umgesetzt. Auch sei bei der Überwachung der Automobilindustrie nicht „qualifiziert“ gegen Kontrollpflichten verstoßen worden. Zudem verleihe das einschlägige EU-Recht einzelnen Diesel-Fahrern keine individuellen, einklagbaren Rechte.
Die klagenden Dieselfahrer hatten Fahrzeuge der Marken VW oder Audi erworben, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen waren. Die Software bewirkte, dass die Fahrzeuge im Prüfstandlauf verbesserte Stickoxidwerte (NOx) lieferten.
Das LG Frankfurt hat die Klagen abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts stehen den Dieselfahrern keine Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland zu. Deutschland habe die Richtlinie 2007/46/EG zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen ordnungsgemäß in nationales Rechts umgesetzt. Die Mitgliedstaaten hätten bei Verstößen gegen die Richtlinie einen Ermessenspielraum, welche Sanktionen sie festlegten. In Deutschland sei nicht nur die Möglichkeit der Rücknahme der Typengenehmigung geschaffen worden. Die Nichtbeachtung der einschlägigen Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes könne auch als sanktionsbewehrte Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Schließlich könne das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit manipulierter Software grundsätzlich auch einen Betrug darstellen und strafrechtliche Folgen haben. Die Vermutung der Kläger, härtere Sanktionen wie etwa in den USA hätten eher vor Manipulationen abgeschreckt, sei mit keinerlei Tatsachen belegt und auch die eingeleiteten Ermittlungsverfahren in den USA stritten jedenfalls nicht für deren Richtigkeit.
Ein Schadensersatzanspruch der Dieselfahrer sei auch nicht deswegen gegeben, weil Deutschland die Automobilindustrie unzureichend überwacht habe. Staatshaftungsansprüche kämen nur in Betracht, wenn Deutschland seine Kontrollpflichten in sog. qualifizierter Weise verletzt habe. Dass das Kraftfahrzeugbundesamt offenbar den Herstellerangaben zu Laufstandmessungen vertraute, sei nicht so verwerflich, dass darin der für die Staatshaftung erforderliche qualifizierte Verstoß zu sehen sei. Dass der namhafte Hersteller des Fahrzeugs, an dessen Konzernmutter das Land Niedersachen aktienrechtlich erheblich beteiligt sei, Messungen mithilfe der Abschalteinrichtung manipulierte, war bis Herbst 2015 wohl eher als abwegig anzusehen.
Schadensersatzansprüche der klagenden Dieselfahrer scheiterten auch daran, dass keine unionsrechtliche Norm den Schutz ihrer individuellen Rechte bezwecke. Aus den Begründungserwägungen des Unionsgesetzgebers lasse sich vielmehr entnehmen, dass lediglich Allgemeininteressen betroffen seien. Individualinteressen, v.a. das Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, fänden darin keine Erwähnung. Die Dieselfahrer seien daher gehalten, die Fahrzeughersteller auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig.