Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat am 23.07.2021 zum Aktenzeichen 2 B 1540/21 das von der Stadt Kassel ausgesprochene Versammlungsverbot für die am 24.07.2021, ab 12:00 Uhr geplante Demonstration der Gruppierung „Freie Bürger Kassel“ bestätigt.
Aus der Pressemitteilung des Hess. VGH Nr. 19/2021 vom 23.07.2021 ergibt sich:
Die Beschwerde der Anmelderin der Versammlung gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 21. Juli 2021 (Az. 6 L 1354/21.KS) wurde zurückgewiesen.
Zuvor hatte die Stadt Kassel mit Bescheid vom 20. Juli 2021 die unter dem Thema „Für Frieden, Freiheit, Menschenrechte und für eine geschlossene Gesellschaft“ angemeldete stationäre Kundgebung auf dem Rainer-Dierichs-Platz vor dem Hauptbahnhof in Kassel und den anschließend geplanten Aufzug über die Kurfürstenstraße, den Ständeplatz, die Friedrich-Ebert-Straße, die Querallee, die Wilhelmshöher Allee, die Fünffensterstraße und von dort zurück zum Hauptbahnhof aus Gründen des Infektionsschutzes im Hinblick auf die fortdauernde Corona-Pandemie verboten und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet. Den hiergegen von dem Anmelder gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Kassel ab.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof begründet die Zurückweisung der Beschwerde im Wesentlichen mit den bei bisherigen Versammlungen der Gruppierung „Freie Bürger Kassel“ gesammelten Erfahrungen, insbesondere im Rahmen der Ereignisse in Kassel vor etwa vier Monaten am 20. März 2021. Damals sei es zu umfangreichen Verstößen gegen die Auflagen zum Tragen von Masken und zum Einhalten von Mindestabständen gekommen. Das Verbot der Durchführung eines Demonstrationszuges sei ebenso missachtet worden wie die örtliche Beschränkung auf die Schwanenwiese und den Platz der Deutschen Einheit aufgrund des Beschlusses des Senats vom 19. März 2021 (Az. 2 B 588/21).
Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse über das Verhalten der von der Versammlung der Antragstellerin angesprochenen Teilnehmer seien weiterhin aktuell. Die Stadt Kassel habe daher die überzeugende Prognose gestellt, dass es bei der Durchführung der angemeldeten Versammlung wiederum zu Verstößen gegen derartige Auflagen und Verbote kommen werde, denen bei einer großen Anzahl von Teilnehmern – die Antragstellerin selbst geht von etwa 3.000 Teilnehmern aus – selbst bei massivstem Einsatz von Polizei- und Ordnungskräften nicht effektiv begegnet werden könne, sodass eine Gefahr für Leib und Leben der Allgemeinheit durch die weitere Ausbreitung der Delta-Variante des Corona-Virus bestehe. Ziel der infektionsschutzrechtlichen Anstrengungen in Deutschland sei es, einen nachhaltigen Rückgang der Fallzahlen, insbesondere der schweren Erkrankungen und Todesfälle zu erreichen, um Menschen – nicht nur aus den Risikogruppen – zuverlässig vor schweren Krankheitsverläufen, intensivmedizinischer Behandlungsnotwendigkeit und Tod zu schützen sowie Langzeitfolgen zu vermeiden, die auch nach milden Krankheitsverläufen auftreten könnten.
Auch wenn die Infektionsgefahr im Freien geringer als in geschlossenen Räumen sei und sich die Inzidenzzahlen auf einem vergleichsweise geringen Niveau bewegten, sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Gefahr einer Tröpfcheninfektion in größeren Menschenmengen mit geringen Abständen insbesondere bei versammlungstypischen Verhaltensweisen wie dem Singen oder Rufen von Parolen gegeben. Zudem sei zu besorgen, dass sich Versammlungsteilnehmer ohne Einhaltung der Masken- und Abstandsgebote in Geschäften und Gaststätten der Kasseler Innenstadt aufhalten und durch ihr aggressives Verhalten unbeteiligte Dritte sowie den öffentlichen Frieden gefährden würden.
Der Einwand der Antragstellerin, sie werde von der Antragsgegnerin nicht als Person wahrgenommen, sondern stereotyp den sog. Querdenkern zugeordnet, rechtfertige keine andere Gefahrenprognose. Entscheidend sei nicht die organisatorische Struktur der Versammlung, sondern das zu erwartende Verhalten der Versammlungsteilnehmer, die durch die geplante Demonstration angesprochen würden. Diese lehnten die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie als überzogen ab.
Der Beschluss ist im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug nicht anfechtbar. Die Antragstellerin hat jedoch die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht anzurufen.