Der Anwaltsgerichtshof NRW hat mit Urteil vom 10.06.2020 zum Aktenzeichen 1 AGH 31/19 entschieden, dass er nicht entschieden muss, ob es einem Rechtsanwalt erlaubt ist, seine Robe besticken zu lassen.
Der Kläger macht geltend (so ausdrücklich in seinem Schriftsatz vom 14.08.2019, Bl. 241 GA), er stünde mit der Beklagten nicht in einem privat-rechtlichen, sondern in einem öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsverhältnis bzw. in einem Wettbewerbsaufsichtsverhältnis sowie in einem berufsrechtlichen Aufsichtsverhältnis, weil er in deren Aufsichtsbezirk weitere Kanzleien unterhalte. Damit liege eine „öffentlich-rechtliche Streitigkeit“ im Sinne des § 112a Abs. 1 BRAO vor.
Der Kläger macht geltend, dass er den Satz, der dem Klageantrag zu Ziffer 1 zugrunde liege, nicht nur wegen des „Personalproblems“ der Justiz, sondern auch wegen des „Arbeitsdrucks“ gewählt habe. Auf dem Weg zur Gerechtigkeit lägen viele Fußangeln; es sei ein Pfad, der von Schlangen und Wölfen gesäumt sei, und die wahrscheinlich größte Enttäuschung für einen Anwalt in der Berufsmitte sei die latente Willkür, die jedes Gerichtsverfahren wie eine mal mehr, mal minder präsente Drohung stets begleite; der Gesetzgeber könne kodifizieren, was er wolle; passe dies dem Richter nicht, werde er einen Weg drumherum schon finden. Er habe deshalb den im Antrag zu Ziffer 1 genannten Satz daher für die Saalöffentlichkeit gut sichtbar auf seine Robe sticken lassen als Mahnung und Weisheit zugleich.
Hilfsweise sei er der Meinung, dass er den dem Klageantrag zu Ziffer 1 zugrundeliegenden Satz auf seinem Sakko tragen dürfe. Dies verfolgt er mit dem Hilfsantrag zu Ziffer 2.
Zu dem Antrag zu Ziffer 3 meint der Kläger, dass diese Angaben, die er nicht auf der Robe tragen dürfe, jedenfalls auf seinem Sakko tragen dürfe. Denn Berufskleidung sei heute in vielen Berufen mit einem Firmenaufdruck versehen, so etwa bei Stewardessen im Flugzeug, Krankenpflegepersonal oder Gastronomiemitarbeitern.
Zu dem Klageantrag zu Ziffer 4 meint der Kläger, dass kaum ein Ort besser geeignet sein könne als eine Anwaltsrobe für eine politische Aufforderung, die Anstrengungen für den Klimaschutz zu verstärken. Denn es gebe immer noch zu viele SUV-fahrende Kolleginnen und vor allem Kollegen, die sich mit ihren urbanen Rennlastern von der Kanzlei zum Gericht durch die Innenstädte zwängen, die Luft mit Kohlendioxid, Stickoxiden und Rußpartikeln „verpesteten“ nur um ihre vermeintliche Potenz – viel mehr als eine „Penisvergrößerung“ seien diese im Straßenverkehr nur schwer zu manövrierenden hypermotorisierten Fahrzeuge nicht – auf dem Gerichtsparkplatz zu parken. Der Aufruf sei eine Mahnung auch und gerade an die Saalöffentlichkeit dem Klimaschutz bereits im Kleinen mehr Gewicht zu geben und mehr Beachtung zu schenken. Die „Protestrobe“ solle zu einer „Postwachstumsökonomie“ aufrufen, was ein Gebot der Stunde sei.
Zu dem Klageantrag zu Ziffer 5 meint der Kläger, dass der Begriff der Robe nirgends legaldefiniert sei, so dass der Beklagten auch kein Unterlassungsanspruch zukomme. Letztlich sei ein Sakko, zumal es wenn schwarz sei, nichts wesentlich anderes als eine Anwaltsrobe. Der Unterschied zu einem Sakko sei, jedenfalls in sitzender Position im Saal, kaum erkennbar. Jedenfalls bestünden keine solch gewichtigen Unterschiede, dass der Rechtsfindung deswegen „ein Zacken aus der Krone“ fiele. Auch ein schwarzes Sakko könne die Funktion, eine Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität zu schaffen, ebenso gut erfüllen; deswegen trage man es z.B. auch in der Oper, bei Begräbnissen, bei Hochzeiten, Urkundsverleihungen nach Staatsexamina. Auch im Übrigen trage man auch sonst schließlich nicht dieselbe Kleidermode wie vor über 300 Jahren; Tradition meine nicht das Halten der Asche, sondern das Bewahren des Feuers. Dass Berufskleidung zur Rechtsfindung nichts beitrage, lasse sich am Beispiel einer Jungrichterin verdeutlichen, die zugleich Mutter sei und von zu Hause arbeite. Diese sitze zu Hause in ihrem „häuslichen Arbeitszimmer“, „noch im Morgenmantel, ungekämmt, ungeschminkt, am Wohnzimmertisch und schreibt auf dem Notebook das Urteil“ (so Schriftsatz vom 03.08.2019, S. 64 = Bl. 65 GA) mit der Folge, dass dann, wenn ihr jemand zusähe, er entsetzt wäre. Überdies seien Anwaltsroben in der Produktion auch eine bislang noch zu wenig erkannte Umweltbelastung, die nicht sein bräuchte, was für die Abwägung nach Art. 20 GG von Bedeutung sei. So habe der Synthetikstoff der Roben aller Rechtsanwälte in Deutschland eine Größe von 16 Fußballfeldern. Ein Sakko habe ohnehin jeder im Schrank und bräuchte nicht zusätzlich verschneidert zu werden.
Die Feststellungsklagehauptanträge zu den Ziffern 1 und 3 bis 5 sowie der Hilfsantrag zu Ziffer 2 sind unzulässig, weil dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zur Seite steht. Da der Kläger ausdrücklich nicht das Bestehen eines privat-rechtlichen, sondern eines öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsverhältnisses sowie eines berufsrechtlichen Aufsichtsverhältnisses zur Grundlage seines Begehrens macht und er damit – wie auch sein Hinweis auf die Anwendbarkeit des § 112a BRAO zeigt – eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit und somit eine verwaltungsrechtliche Anwaltssache zur Entscheidung stellt, finden nach § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO die Vorschriften der VwGO Anwendung.
Der Kläger kann sein Klagebegehren nicht auf ein berufsrechtliches Aufsichtsverhältnis stützen, da zwischen den Parteien ein solches nicht besteht.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass die Beklagte in einem Bescheid gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft Köln die Auffassung vertreten habe, dass es rechtswidrig sei, wenn der Kläger vor Gericht eine mit Aufschriften versehene Berufskleidung trage und auch sonst nicht standesgemäß gekleidet wäre, da dies „sachliches Verhalten“ [sic] darstelle, trifft dies so nicht zu. Tatsächlich handelt es sich bei dem in Bezug genommenen Schriftstück – nämlich Anlage 2 S. 7 f = Bl. 84 f GA – um einen Schriftsatz der Beklagten an den Senat vom 01.07.2015 in dem damaligen Verfahren 1 AGH 16/15. Dort hatte die Beklagte Bedenken geäußert, dass der Kläger die im damaligen Verfahren in Rede stehende Robe bereits vor Rechtskraft der Entscheidung trage, und mitgeteilt, dass die Beklagte sich vorbehalte zu überprüfen, ob nicht ein berufsrechtliches Einschreiten bei dem bewussten Verstoß geboten sei. Damit ergibt sich, dass die Beklagte nicht allgemein von einer Rechtswidrigkeit oder von einer Wettbewerbswidrigkeit gesprochen hat, sondern von einer möglichen Berufsrechtswidrigkeit. Berufsrechtliche Schritte muss der Kläger jedoch nicht seitens der Beklagten befürchten, da er deren Mitglied nicht ist. Deshalb sind berufsrechtliche Maßnahmen der Beklagten auch objektiv nicht möglich. Für anwaltsgerichtliche Verfahren bestimmt § 119 Abs. 2 BRAO ausdrücklich, dass sich die örtliche Zuständigkeit ausschließlich aus der Zugehörigkeit zu der Rechtsanwaltskammer ergibt, der die beschuldigte Person angehört (vgl. Henssler/Prütting/Dittmann, 5. Aufl., § 119 BRAO Rn 2; Weyland/Reelsen, 10. Aufl., § 119 BRAO Rn. 2; Gaier/Wolf/Göcken/Johnigk, 2. Aufl., § 119 BRAO Rn. 3). Auch die Aufsichtsmöglichkeiten nach §§ 74 ff BRAO sind an die Mitgliedschaft gebunden (Henssler/Prütting/Hartung, 5. Aufl., § 74 BRAO Rn 1; Weyland/Weyland, 10. Aufl., § 74 BRAO Rn. 1; Gaier/Wolf/Göcken/Johnigk, 2. Aufl., § 74 BRAO Rn. 1). Jeder Rechtsanwalt ist nach § 60 BRAO Mitglied der Kammer, die ihn zugelassen oder aufgenommen hat. Dies ist im Fall des Klägers die RAK G, die ihn aufgenommen hat. Eine Doppelmitgliedschaft in zwei Kammern ist nicht möglich (Henssler/Prütting/Hartung, 5. Aufl., § 60 BRAO Rn 23; Weyland/Weyland, 10. Aufl., § 60 BRAO Rn. 7).
Damit handelt es sich bei den Anträgen des Klägers um vorbeugende Feststellungsklagen, die hier jedoch unzulässig sind. Denn im Hinblick auf die Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht als vorbeugende, sondern nachgängige Kontrolle ist eine vorbeugende Feststellungsklage, wie auch eine sonstige vorbeugende verwaltungsgerichtliche Klage, nur zulässig, wenn ein spezielles, besonders schützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht (BGH NJW 2017, 2556 Rn. 30 mit ablehnenden Anm. Deckenbrock a.aO. sowie Ewer AnwBl Online 2018, 27). Dieses ist (nur) gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann, wenn also der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (BGH aaO; vgl. Feuerich/Kilimann, 10. Aufl., § 112c BRAO Rn. 35a). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Denn es ist dem Kläger ohne weiteres zumutbar abzuwarten, ob die Beklagte berufsrechtliche Schritte gegen ihn einleitet, zumal angesichts eines fehlenden Mitgliedschaftsverhältnisses des Klägers zu der Beklagten nicht zu erwarten ist, dass die Beklagte überhaupt berufsrechtliche Schritte gegen den Kläger als Nichtkammermitglied einleiten wird. Der Umstand, dass der Kläger im Bezirk der Beklagten weitere Kanzleien i.S.d. § 27 Abs. 2 BRAO unterhält, ist dabei ohne Bedeutung. Denn ein Rechtsanwalt untersteht der RAK, deren Mitglied er ist, auch hinsichtlich der Berufstätigkeit, die er im Bereich einer anderen RAK ausübt (Weyland/Weyland, 10. Aufl., § 27 BRAO Rn. 33; Gaier/Wolf/Göcken/Siegmund, 2. Aufl., § 27 BRAO Rn. 87). Die Annahme des Klägers, er unterliege der Berufsaufsicht der Beklagten, trifft somit nicht zu.
Eine Umdeutung der unzulässigen Feststellungsanträge in Unterlassungsklageanträge könnte dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen. Diese sind dann statthaft, wenn ansonsten vollendete Tatsachen geschaffen oder ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall. Denn – wie oben dargelegt – unterliegt der Kläger nicht der Aufsicht der Beklagten.
Der Kläger kann Ansprüche auch nicht auf ein öffentlich-rechtliches Wettbewerbsverhältnis stützen, deren Entscheidung dem Senat nach § 17 Abs. 2 GVG in jedem Fall angefallen sind. Dabei ist davon auszugehen, dass der Kläger die Klagebefugnis von Rechtsanwaltskammern nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in den Blick nehmen will, wonach Beseitigungs- und Wiederholungsansprüche nach § 8 UWG auch von Kammern verfolgt werden können, soweit die Interessen ihrer Mitglieder berührt sind.
53Der Senat kann offen lassen, ob danach den Kammern allein die Befugnis zusteht gegen die Verletzung von Berufspflichten durch ihre Mitglieder vorzugehen (so Weyland/Weyland, § 73 BRAO Rn. 16). Denn auch hier handelt es sich um eine vorbeugende Feststellungsklage, für die kein besonderes schützenswertes Interesse des Klägers besteht. Die Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt berühmt, zur Erhebung von Unterlassungsansprüchen, wie sie in den Anträgen des Klägers angesprochen werden, berechtigt zu sein oder deren Erhebung zu beabsichtigen. Auf das vom Kläger in Bezug genommene Schriftstück – nämlich Anlage 2 S. 7 f (Bl. 84 f GA) – kann er sich auch in diesem Zusammenhang nicht berufen, weil es sich hierbei um einen Schriftsatz der Beklagten an den Senat vom 01.07.2015 in dem damaligen Verfahren 1 AGH 16/15 handelt. Zu jenem Zeitpunkt war der Kläger noch Mitglied der beklagten Kammer; hier ist eine wesentliche Veränderung dadurch eingetreten, dass die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten am 02.05.2017 endete. Ein Abwarten, ob die Beklagte Unterlassungsansprüche geltend machen wird, kann dem Kläger ohne weiteres zugemutet werden.