Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13. Februar 2025 zum Aktenzeichen III ZR 63/24 entschieden, dass im Amtshaftungsprozess der Kläger auch dann die Darlegungs- und Beweislast für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Amtsträgers trägt, wenn er eine Entschädigung wegen Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10-Gesetz) und dem Bundesverfassungs-schutzgesetz begehrt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Maßnahmen von der G 10-Kommission geprüft und für zulässig, notwendig und verhältnismäßig erklärt worden sind.
Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 032/2025 vom 13.02.2025 ergibt sich:
Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigung von 200.000 € wegen Maßnahmen, die gegen ihn nach dem G 10-Gesetz und dem Bundesverfassungsschutzgesetz angeordnet und durchgeführt wurden.
Er geriet Ende 2017 im Zusammenhang mit dem Verdacht der Planung terroristischer Anschläge in den Blick des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Das Bundesministerium des Innern (BMI) ordnete auf entsprechende Anträge des BfV auf der Grundlage des G 10-Gesetzes für die Zeit vom 3. November 2017 bis zum 5. April 2018 die Überwachung und Aufzeichnung von Telekommunikation des Klägers sowie das Öffnen und Einsehen seiner Post und auf der Grundlage des Bundesverfassungsschutzgesetzes für die Zeit vom 7. November 2017 bis zum 8. Januar 2018 den Einsatz technischer Mittel zur Ermittlung des Standortes seines aktiv geschalteten Mobilfunktelefons oder zur Ermittlung der Geräte- oder Kartennummer an. Die G 10-Kommission (vgl. § 1 Abs. 2, § 15 G 10-Gesetz; § 8b Abs. 2 BVerfSchG) erklärte im Wege der nachträglichen Kontrolle die Maßnahmen für zulässig, notwendig und verhältnismäßig. Nach deren Beendigung setzte das BfV den Kläger über die – ergebnislos gebliebenen – Maßnahmen in Kenntnis.
Der Kläger hat geltend gemacht, wegen rechtswidriger und schuldhafter Eingriffe in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und sein durch Art. 10 Abs. 1 GG geschütztes Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis stehe ihm eine Entschädigung von 200.000 € zu.
Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung von 10.000 € zu zahlen. Die insoweit primär, jedenfalls aber sekundär darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung und den Vollzug der – in das durch Art. 10 GG geschützte Post- und Fernmeldegeheimnis des Klägers eingreifenden – Maßnahmen erfüllt gewesen seien. Für den Ausgleich der vom Kläger durch die Maßnahmen erlittenen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei ein Entschädigungsbetrag von 10.000 € angemessen und ausreichend.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt wurde. Dagegen blieb die Anschlussrevision des Klägers ohne Erfolg.
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen steht nicht fest, dass ein Amtsträger der Beklagten seine Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verletzt hat. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen treffe die Beklagte, ist rechtsfehlerhaft. Vielmehr ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein Amtsträger der Beklagten amtspflichtwidrig gehandelt hat. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Schadensersatzanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für dessen Voraussetzungen. Dem Geschädigten obliegt es, das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten eines Amtsträgers darzulegen und zu beweisen. Der mit den Maßnahmen verbundene Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 GG führt nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Maßnahmen – wie vorliegend – von der G 10-Kommission geprüft und für zulässig, notwendig und verhältnismäßig erklärt worden sind.
Der Beklagten obliegt über die von ihr getätigten Angaben hinaus keine sekundäre Darlegungslast zu den tatsächlichen Umständen, die den Maßnahmen zugrunde liegen. Zwar gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben eine sekundäre Darlegungslast des Gegners, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner angesichts des unterschiedlichen Informationsstands beider Parteien zumutbar nähere Angaben machen kann. Vorliegend steht der Kläger zwar außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs, während die Beklagte über alle relevanten Informationen verfügt. Der Beklagten sind jedoch mit Blick auf die von ihr geltend gemachten Geheimhaltungsgründe keine weiteren Angaben zumutbar.
Sie hat unter Berufung auf die sog. „Third-Party-Rule“ und den Quellenschutz hinreichend vorgetragen, dass die Offenlegung weiterer Informationen die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden erheblich beeinträchtigen und daher dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten würde. Die „Third-Party-Rule“ ist eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich, nach der ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden dürfen. Durch den Bruch einer solchen Absprache kann die Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigt werden. Die Maßnahmen der Beklagten waren Gegenstand einer mehrstufigen und in seiner letzten Stufe gerichtsähnlichen Kontrolle durch die G 10-Kommission. Unter Berücksichtigung dieser Rechtskontrolle und in Abwägung mit dem überragenden Interesse der Beklagten an der Erhaltung der Funktions- und Kooperationsfähigkeit der Nachrichtendienste steht der Anspruch des Klägers auf Rechtsschutz gegenüber der öffentlichen Gewalt aus Art. 19 Abs. 4 GG der Annahme der Unzumutbarkeit weiteren Vortrags der Beklagten nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls in Fallkonstellationen der vorliegenden Art, in denen Hinweise betroffen sind, die sich auf die Vorbereitung terroristischer Anschläge beziehen und für den Schutz höchster Rechtsgüter, namentlich Leben und Gesundheit der Bevölkerung, von herausragender Bedeutung sind. Würden Aufklärungsmittel zur Abwehr solcher Anschläge durch in Amtshaftungsprozessen erfolgende Verstöße gegen die „Third-Party-Rule“ oder den Quellenschutz künftig nicht mehr zur Verfügung stehen, führte dies zu einer nicht hinnehmbaren erheblich gesteigerten Gefahr terroristischer Anschläge.
Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger die Amtspflichtwidrigkeit der Maßnahmen hinreichend dargelegt hat. Das Oberlandesgericht wird in dem neuen Berufungsverfahren die Gelegenheit haben, auf der Grundlage der Darlegungs- und Beweislast des Klägers dessen Vortrag zur Amtspflichtwidrigkeit tatrichterlich zu würdigen und in diesem Rahmen den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.
Die Anschlussrevision des Klägers ist, unabhängig von der – in dem neuen Berufungsverfahren zu klärenden – Frage, ob ihm überhaupt dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte zusteht, unbegründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine 10.000 € übersteigende Entschädigung verneint hat, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.