Covid-19-Krise: Staatliche Beihilfen Finnlands zugunsten von Finnair

14. April 2021 -

Das Gericht der Europäischen Union hat am 14.04.2021 zum Aktenzeichen T-388/20 entschieden, dass die Garantie Finnlands zugunsten des Luftfahrtunternehmens Finnair, um es diesem zu ermöglichen, ein Darlehen in Höhe von 600 Mio. Euro zur Deckung seines erforderlichen Betriebsvermögens infolge der Covid-19 Pandemie von einem Rentenfonds zu erhalten, im Einklang mit dem Unionsrecht steht.

Aus der Pressemitteilung des EuGH Nr. 53/2021 vom 14.04.2021 ergibt sich:

Aufgrund der Bedeutung von Finnair für das Wirtschaftsleben Finnlands war die Garantie erforderlich, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben dieses Mitgliedstaats zu beheben.

Am 13. Mai 2020 meldete Finnland bei der Kommission eine Beihilfemaßnahme in Form einer staatlichen Garantie zugunsten des finnischen Luftfahrtunternehmens Finnair Plc an, mit der es diesem ermöglicht werden sollte, ein Darlehen in Höhe von 600 Mio. Euro von einem Rentenfonds zu erhalten, um sein erforderliches Betriebsvermögen zu decken. Die Garantie, die 90 % dieses Darlehens abdecken sollte, wurde auf eine Höchstdauer von drei Jahren begrenzt und kann im Fall der Zahlungsunfähigkeit von Finnair gegenüber dem Rentenfonds in Anspruch genommen werden. Die Kommission stufte die Finnair gewährte Garantie unter Verweis auf ihre Mitteilung „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19“ (Mitteilung der Kommission über den Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 (ABl. 2020, C 91 I, S. 1), in der geänderten Fassung vom 3. April 2020 – ABl. 2020, C 112 I, S. 1) als nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfe ein (Beschluss C(2020) 3387 final der Kommission vom 18. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.56809 (2020/N) – Finnland – COVID-19: Staatliche Garantie für Finnair). Gemäß dieser Bestimmung können Beihilfen zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

Das Luftfahrtunternehmen Ryanair hat Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission erhoben, die die Zehnte erweiterte Kammer des Gerichts der Europäischen Union jedoch abweist. Sie prüft in diesem Zusammenhang erstmals die Rechtmäßigkeit einer staatlichen Einzelbeihilfe als Reaktion auf die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV. In seinem Urteil vom 17. Februar 2021 (T-238/20 „Ryanair/Kommission“ prüfte das Gericht in ähnlicher Weise, ob die von Schweden erlassene staatliche Beihilferegelung als Reaktion auf die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf den schwedischen Luftverkehrsmarkt rechtmäßig ist. In seinen Urteilen vom 14. April 2021 (T-378/20 „Ryanair/Kommission“ und T-379/20 „Ryanair/Kommission“ prüfte das Gericht außerdem zwei unterschiedliche Einzelbeihilfemaßnahmen auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV.

Würdigung durch das Gericht

Das Gericht prüft als Erstes die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV.

Zunächst weist das Gericht zum einen zur Rüge, dass eine Beihilfe, mit der nur ein einzelnes Unternehmen begünstigt werde, keine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV beheben könne, darauf hin, dass diese Bestimmung sowohl auf Beihilferegelungen als auf Einzelbeihilfen anwendbar ist. Somit kann eine Einzelbeihilfe als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie erforderlich, geeignet und angemessen ist, um eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben des betreffenden Mitgliedstaats zu beheben.

Ein etwaiger Zahlungsausfall von Finnair hätte beträchtliche Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben Finnlands gehabt, so dass eine staatliche Garantie geeignet ist, zur Behebung einer durch die COVID-19 Pandemie verursachten beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands beizutragen, da sie dazu dient, die Tätigkeiten von Finnair aufrechtzuerhalten und zudem eine größere Störung im Wirtschaftsleben Finnlands durch ihren etwaigen Zahlungsausfall zu vermeiden.

Diese Feststellung des Gerichts beruht auf der Tatsache, dass Finnair

– mit ca. 15 Mio. beförderten Fluggästen im Jahr 2019, d. h. 67 % aller Fluggäste, die nach, von und innerhalb von Finnland befördert wurden, das bedeutendste Luftfahrtunternehmen in Finnland ist;

– der bedeutendste Anbieter von Luftfrachtdiensten in Finnland ist, den Bedarf mehrerer im finnischen Hoheitsgebiet ansässiger Unternehmen sowohl im Hinblick auf die Einfuhr als auch die Ausfuhr von Waren erfüllt und über ein ausgedehntes Netzwerk in Asien verfügt;

– über 6 800 Angestellte beschäftigt und sich ihre Aufträge bei – zum Großteil finnischen – Dienstleistungserbringern im Jahr 2019 auf 1,9 Mrd. Euro beliefen;

– in Finnland eine bedeutende Rolle in der Forschung einnimmt und hinsichtlich ihres Beitrags zum BIP dieses Landes an sechzehnter Stelle steht.

Zum anderen stellt das Gericht zur Rüge, die Kommission habe keine Abwägung der positiven und der negativen Auswirkungen der Beihilfe vorgenommen, fest, dass Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV im Gegensatz zu dem, was in Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vorgesehen ist, keine solche Prüfung vorschreibt. Eine solche Abwägung ist auch nicht auf der Grundlage der Mitteilung über den Befristeten Rahmen erforderlich.

Als Zweites prüft das Gericht den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Zunächst begründet eine Einzelbeihilfe naturgemäß eine Ungleichbehandlung oder sogar eine Diskriminierung, die für ihren Charakter als Einzelmaßnahme kennzeichnend ist. Durch die Annahme, dass eine solche Beihilfe gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung verstoße, würde im Wesentlichen die Vereinbarkeit jeder Einzelbeihilfe mit dem Binnenmarkt systematisch in Frage gestellt, obwohl das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten unter den in Art. 107 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen erlaubt, solche Beihilfen zu gewähren.

Im Übrigen ist, selbst wenn die durch die Finnair gewährte Garantie geschaffene Ungleichbehandlung einer Diskriminierung gleichzusetzen wäre, zu prüfen, ob sie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sowie erforderlich, geeignet und angemessen ist, dieses zu erreichen.

Die Modalitäten der Gewährung der Finnair gewährten Garantie sind geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, da das Vorliegen einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben Finnlands aufgrund der COVID-19 Pandemie und deren schwerwiegende negative Auswirkungen auf den finnischen Luftverkehrsmarkt rechtlich hinreichend nachgewiesen sind. Die Beihilfemaßnahme ist zudem erforderlich, da Finnair zahlungsunfähig zu werden drohte, weil sie ihre Tätigkeit aufgrund der Pandemie plötzlich einstellen musste und es ihr nicht möglich war, ihren Liquiditätsbedarf auf den Kreditmärkten zu decken. Schließlich überschreitet die Gewährung der staatlichen Garantie ausschließlich an Finnair aufgrund der Bedeutung Letzterer für das Wirtschaftsleben Finnlands nicht die Grenzen dessen, was zur Erreichung der von Finnland verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist.

Zur Rüge eines Verstoßes gegen den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit stellt das Gericht als Drittes fest, dass Ryanair nicht dargelegt hat, weshalb der Ausschlusscharakter der Gewährung der staatlichen Garantie geeignet sei, sie davon abzuhalten, sich in Finnland niederzulassen, oder Dienstleistungen von und nach Finnland zu erbringen. Ryanair hat nicht angegeben, welche tatsächlichen oder rechtlichen Umstände dazu führen würden, dass die in Rede stehende Einzelbeihilfe wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet, die über diejenigen hinausgehen, die das Verbot des Art. 107 Abs. 1 AEUV auslösen, die aber gleichwohl erforderlich und verhältnismäßig sind, um die durch die COVID-19 Pandemie verursachte beträchtliche Störung des finnischen Wirtschaftslebens im Einklang mit den Anforderungen des Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV zu beheben.

Schließlich weist das Gericht die Klagegründe einer angeblichen Verletzung der Begründungspflicht als unbegründet zurück und stellt fest, dass es keiner Prüfung der Begründetheit des Klagegrundes einer Verletzung der aus Art. 108 Abs. 2 AEUV abgeleiteten Verfahrensrechte bedarf.