Corona-Verordnung in Bayern bleibt in Kraft

25. März 2021 -

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof in München hat esam 23.03.2021 zum Aktenzeichen Vf. 23-VII-21 abgelehnt, einzelne Vorschriften der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 05.03.2021 (BayMBl Nr. 171, BayRS 2126-1-16-G) durch einstweilige Anordnung außer Vollzug zu setzen.

Aus der Pressemitteilung des Bay. VerfGH vom 22.03.2021 ergibt sich:

Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hält grundsätzlich die Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der COVID-19-Erkrankung aus der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung aufrecht. Im Anschluss an erste Öffnungsschritte durch die letzte Änderung dieser Verordnung vom 24. Februar hat sie weitere bereichsweise Öffnungsschritte zum Gegenstand, die weitgehend inzidenzabhängig ausgestaltet sind und Abstufungen an die Schwellenwerte einer regionalen 7-Tage-Inzidenz von 35, 50 und 100 anknüpfen. Anders als u. a. bei Kontaktbeschränkungen, im

Einzelhandel, bei Schulen und Kindertageseinrichtungen und bestimmten Kulturstätten sind erste Lockerungen für die Gastronomie sowie für Theater, Konzert- und Opernhäuser und Kinos nur als Perspektive ab 22. März 2021 bei einer stabilen oder rückläufigen Entwicklung der Inzidenzzahlen vorgesehen.

Die Antragsteller haben Popularklage gegen einzelne Regelungen der Verordnung erhoben, die bestehende Beschränkungen und Untersagungen entweder voll oder bei Überschreiten des Schwellenwerts einer 7-Tage-Inzidenz von 100 aufrechterhalten. Sie halten die Vorschriften zum Distanzunterricht in Schulen und zur Schließung von Tagesbetreuungsangeboten, die Öffnungsverbote für bestimmte Handels- und Dienstleistungsbetriebe, die fortgesetzte Untersagung von Gastronomiebetrieben und Schließung bestimmter Kultureinrichtungen für grundrechtswidrig. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollen sie die angegriffenen Bestimmungen vorläufig außer Vollzug gesetzt haben.

Der Verfassungsgerichtshof hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen überschlägigen Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass die Popularklage in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich sein wird. Es lässt sich auch hinsichtlich der neuen Verordnung nicht feststellen, dass der Verordnungsgeber offensichtlich die bundesrechtlich eröffneten Spielräume überschritten oder sie unter Verletzung von Grundrechten oder sonstigen Vorschriften der Bayerischen Verfassung ausgefüllt haben könnte.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass die Verordnungen in wesentlichen Punkten auf den in Videoschaltkonferenzen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zuvor einvernehmlich beschlossenen Leitlinien beruhen.

Nach gegenwärtigem Stand ist nicht erkennbar, dass die angegriffenen Vorschriften aufgrund ihres Regelungsinhalts offensichtlich verfassungswidrig sein könnten.

Die verfassungsrechtliche Prüfung der beanstandeten Regelungen muss im Blick behalten, dass die Zwölfte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vor dem Hintergrund einer weiterhin besorgniserregenden Entwicklung des Infektionsgeschehens seit Oktober 2020 erlassen wurde. In Anbetracht dieser Entwicklung kann die prinzipielle Entscheidung des Verordnungsgebers, an den in der Vergangenheit getroffenen Maßnahmen festzuhalten und nur in Teilbereichen unter engen Voraussetzungen Lockerungen zu erproben, nicht beanstandet werden. Eine substanzielle Veränderung gegenüber der Gesamtsituation, die dem Erlass der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und den dazu ergangenen Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zugrunde lag, lässt sich nicht feststellen.

Soweit die Vorschriften von den zuvor geltenden Regelungen abweichen, können sie in Anbetracht der dem Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung des Schutzkonzepts zukommenden Einschätzungsprärogative nicht als offensichtlich verfassungswidrig qualifiziert werden. Der neu eingeführte Schwellenwert einer 7-Tage-Inzidenz von 100, der u. a. für den Ausschluss von Präsenzunterricht an Schulen sowie für die Schließung von Tagesbetreuungseinrichtungen und von Ladengeschäften mit Kundenverkehr maßgeblich ist, stellt kein gegen das Willkürverbot verstoßendes Abgrenzungskriterium dar. Es erscheint nach dem Gesamtkonzept der Verordnung und dem vom Verordnungsgeber ersichtlich angestrebten Ziel auch nachvollziehbar, dass von der „Notbremse“ bei Überschreitung dieses Schwellenwerts die besonders kontaktintensiven Bereiche der Schulen und Tagesbetreuungseinrichtungen nicht ausgenommen worden sind.

Ungeachtet der mittlerweile erheblichen Dauer und der sich fortlaufend erhöhenden wirtschaftlichen Belastungen stehen die inzidenzabhängige Schließung von Ladengeschäften und die inzidenzunabhängige von Gastronomiebetrieben angesichts des weiterhin hohen Infektionsrisikos nicht offensichtlich außer Verhältnis zum Gewicht und zur Dringlichkeit der rechtfertigenden Gründe. Dass der Verordnungsgeber von dem bei einer 7-Tage-Inzidenz über 100 grundsätzlich geltenden Öffnungsverbot für Handels- und Dienst-leistungsbetriebe eine Vielzahl bereichsspezifischer Ausnahmen zugelassen hat, kann jedenfalls nicht als offenkundiger Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz angesehen werden.

Die fortdauernde Schließung von Kultureinrichtungen wie Theatern, Opern- und Konzerthäusern sowie Kinos erweist sich bei überschlägiger Prüfung ebenfalls nicht als offensichtlich verfassungswidrig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Besuch kultureller Einrichtungen in besonderer Weise dem Austausch und der Kommunikation zwischen den Besuchern dient und es dabei regelmäßig auch zu Menschenansammlungen kommt, sodass ein gegenüber sonstigen sozialen Kontakten deutlich erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht. Dass die betroffenen künstlerischen Betätigungen weitergehenden Einschränkungen unterliegen als dies für die Ausübung der Religionsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit gilt, verstößt nicht in offensichtlicher Weise gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Bei der demnach gebotenen Folgenabwägung überwiegen entsprechend den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs zu den vorangegangenen Verordnungen und unter Berücksichtigung insbesondere der aktuellen dynamischen Entwicklung des Infektionsgeschehens die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.